»In Venezuela gibt es 653 solcher Begegnungsräume«

Das erste Infocentro Europas wurde jetzt in Berlin eröffnet – in der Botschaft des Landes. Ein Gespräch mit Karen López.

Karen López von der venezolanischen Botschaft ist Betreuerin des Infocentro »Manuela Sáenz« in Berlin

Vor kurzem wurde in den Räumen der Botschaft Venezuelas in Berlin das erste »Infocentro« in Europa eröffnet. Was ist darunter zu verstehen?

Allgemein gesprochen ist ein Infocentro ein mit Technik ausgestattetes Begegnungszentrum, in dem alle an den Veränderungen in Venezuela Interessierten zusammenkommen können – zum Meinungs- und Erfahrungsaustausch, für Diskussionen oder um etwas über die sozialen Prozesse in meinem Land oder über den Umgang mit dem Internet zu erfahren. Diese Initiative ist in Venezuela selbst entstanden – ausgehend von der 1999 verabschiedeten Verfassung, die das Recht der Bevölkerung auf Zugang zu den Informationstechnologien festschreibt.

Im Jahr 2000 wurde in Caracas das erste Infocentro als Pilotprojekt in Betrieb genommen, heute gibt es in ganz Venezuela bereits 653 solcher Begegnungsräume, darunter auch solche, die speziell für die Bedürfnisse behinderter Menschen eingerichtet sind. Kürzlich wurde das erste Infocentro eingeweiht, das sogar eine direkte Verbindung zum venezolanischen Kommunikationssatelliten Simón Bolívar hat.

Wir sind sehr stolz, in Berlin das erste Infocentro in Europa eröffnet zu haben. Es soll sich entsprechend der Bedürfnisse seiner Nutzerinnen und Nutzer entwickeln, worunter nicht nur die in Berlin lebenden Bürger Venezuelas zu verstehen sind, sondern auch interessierte Deutsche, Studierende oder Venezuela-Solidaritätsgruppen. Der Grundgedanke ist, daß sich all diese Menschen dort treffen können, um ihre Ideen auszutauschen und sich mit der Technik vertraut machen, die wir ihnen kostenlos zur Verfügung stellen.

Was konkret kann man denn in diesem Infocentro machen?

Wir haben eine umfangreiche Bibliothek und bieten eine direkte Verbindung mit Venezuela – über Computer mit Internetzugang. Außerdem bieten wir den Nutzern Workshops an, zu Themen, die sie selbst vorschlagen können. Am 5. November wird es zum Beispiel einen Workshop über das Infocentro selbst geben, bei dem wir über die Benutzung des Koina-Systems zur Herstellung von Internetzeitungen informieren.

Was versteht man darunter?

Die Stiftung Infocentro, die für die Zentren verantwortliche Einrichtung in Venezuela, hat unter dem Namen »Koina« eine leicht bedienbare Plattform zur Verwaltung von Inhalten entwickelt. »Koina« stammt aus der Sprache der Warao-Indígenas und bedeutet nichts anderes als »Instrument«. Es ist ein sehr einfach gehaltenes System, zu dessen Bedienung nur Grundkenntnisse über das Internet notwendig sind, so daß die jeweiligen Nutzer dann ganz einfach Fotos, Videos, Texte veröffentlichen können – alles, was sie wollen. Unsere Idee ist, daß die Besucher des Infocentro sich so frei und ohne Zensur äußern können. Natürlich gibt es immer einen Administrator, der verhindern soll, daß Gesetze verletzt werden oder unangemessene Kommentare veröffentlicht werden.

Aber muß man dazu nicht die spanische Sprache beherrschen?

Ich glaube nicht, daß das Infocentro für die Freunde, die unsere Sprache nicht beherrschen, ohne Nutzen ist. Das hängt immer davon ab, welche Bedürfnisse die jweiligen Nutzer äußern. Wenn es zum Beispiel einen Workshop gibt, der in deutscher Sprache ablaufen sollte, dann werden wir sicherlich für eine Übersetzung sorgen.

Wann kann man das Infocentro besuchen?

Wir haben parallel zu den Öffnungszeitungen der Konsularabteilung der Botschaft geöffnet, das heißt von Montag bis Donnerstag zwischen 10 und 13.30 Uhr.

Viel Zeit hat man da aber nicht …

Das ist die Zeitspanne, in der die meisten Besucher in die Botschaft kommen – deswegen haben wir die Öffnungszeiten erst einmal so festgelegt. Aber es wird sicherlich Ausnahmen geben, besonders wenn wir Workshops veranstalten.

Erschienen am 22. Oktober 2009 in der Tageszeitung junge Welt