Richtig krasse Friedenspolitik

Die Steigerung »Freund – Feind – Parteifreund« wird dem früheren Bundeskanzler Konrad Adenauer zugeschrieben. Doch man kann sie ohne weiteres auch auf den Umgang führender Mitglieder der Partei Die Linke miteinander anwenden. Kaum sagt in deren Reihen mal jemand etwas Vernünftiges, findet sich bestimmt ein Kollege, der in den Qualitätsmedien dieses unseres Landes zu Protokoll gibt, dass er ganz anderer Meinung ist.

Am vergangenen Dienstag war es Rico Gebhardt, der Chef der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, der sich via Tagesspiegel für dieses Spielchen hergab. Als »eine krasse Aktion« bezeichnete er die kurze Solidaritätsaktion von einigen Dutzend Delegierten des Europaparteitages, die mit Transparenten auf der Bühne gegen die US-Intervention in Venezuela demonstriert hatten. Damit das Wort »krass« nicht versehentlich als Begeisterung missverstanden wird, schiebt das Berliner Blatt noch schnell hinterher: »Er ist nicht begeistert über die Störung eines ansonsten relativ friedlichen Parteitags.«

Wirklich »krass« wird das Statement Gebhardts zwei Zeilen später: »Was ich verhindern konnte, war, dass der Antrag zu Venezuela vom Parteitag behandelt wird.« Moment, hatte der nicht – ebenso wie ein weiteres Papier zu Frieden mit Russland – aus Zeitmangel leider, leider an den Bundesausschuss überwiesen werden müssen? So war es jedenfalls am Wochenende unermüdlich beteuert worden. Und Linke-Mitgliedern, die sich zum Beispiel auf Facebook kritisch über die Parteitagsregie geäußert hatten, wurde »Lüge« und »Hetze« unterstellt. Man sei drei Stunden im Verzug gewesen, deshalb habe man alle Anträge überweisen müssen. Das sei keine Positionierung gegen Venezuela gewesen.

Natürlich war das eine Positionierung. Zeitlich parallel zum Linke-Parteitag drohten die USA offen mit einer militärischen Intervention und konnten von einem Nachbarstaat aus bewaffnete Gruppen ungehindert die Grenze Venezuelas attackieren. Wer dann entscheidet, dass man abwarten könne, bis sich ein internes Gremium mit dieser Frage beschäftigt, positioniert sich. Und zwar gegen einen Beschluss des Linke-Parteivorstandes vom 26. Januar. In dem heißt es: »Die Linke verurteilt den Putschversuch gegen die Regierung in Venezuela. Die Anerkennung des selbsternannten Interimspräsidenten durch die USA und andere Regierungen und die Drohung mit militärischen Mitteln stellen einen Bruch des Völkerrechts dar, der unter keinen Umständen akzeptiert werden darf.« Also auch nicht, weil man bei einem Parteitag gerade in Zeitverzug geraten ist.

Dem Tagesspiegel sind solche Stichwortgeber wie der Genosse Gebhardt hoch willkommen. So kann, während man gegen Venezuela das propagandistische Geschäft von Bundesregierung und US-Administration besorgt, einerseits der Spaltpilz in die Linkspartei getragen werden. Zum anderen werden schwankende Wähler davor gewarnt, ihr bei der EU-Wahl die Stimme zu geben. Zum Beispiel weil Heike Hänsel, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, die Bezeichnung »US-Putschversuch« für die Einmischung der USA gebraucht habe. Der Tagesspiegel in seiner Onlineausgabe weiter: »Über Präsident Nicolás Maduro, der zuletzt Hilfslieferungen für die hungernde Bevölkerung mit Gewalt stoppen ließ und so den Konflikt mit der Opposition weiter anfachte, verlor sie kein kritisches Wort.«

Gebhardt juckt das alles nicht. Er will nicht ins EU-Parlament. Er ist Spitzenkandidat seiner Partei bei der Landtagswahl in Sachsen. Die findet am 1. September, dem Antikriegstag, statt. Aber konsequente Friedenspolitik könnte ja seinen Traum von einem Pöstchen im Kabinett begraben.

Erschienen am 2. März 2019 in der Tageszeitung junge Welt