Revanche gegen Linke

Nach der Freilassung des monatelang entführten Großgrundbesitzers Fidel Zavala, einem der reichsten Männer des Landes, hat Paraguays Präsident Fernando Lugo eine Eliteeinheit des Militärs in den Norden des Landes geschickt, um Jagd auf die Mitglieder der Guerillaorganisation »Paraguayische Volksarmee« (EPP) zu machen. Die Regierung macht die Gruppierung für vier Entführungen in den vergangenen neun Jahren verantwortlich, wobei sie mehr als zwei Millionen US-Dollar erpreßt haben soll. Die EPP-Mitglieder selbst sehen sich hingegen als »talentierte und patriotische Guerilleros«, die »radikale Veränderungen« hin zu einem »revolutionären Sozialismus« anstreben. Dies geht jedenfalls aus den Erklärungen der seit Juli 2004 inhaftierten und von den Medien des Landes als Sprecherin der EPP gehandelten Carmen Villalba hervor, die wegen der Entführung der Unternehmergattin María Edith de Debernardi eine Haftstrafe von 18 Jahren absitzt.

Die legale Linke Paraguays will hingegen mit der EPP nichts zu tun haben und bezweifelt sogar die reale Existenz der Gruppe, deren Stärke in den bürgerlichen Medien des Landes mit 14 bis 20 Mitgliedern angegeben wird. Vielmehr diene die EPP nur als Vorwand zur Kriminalisierung der Bauernbewegung des südamerikanischen Landes. Tatsächlich dauerte es nach der Freilassung Zavalas in der Nacht zum vergangenen Montag nur wenige Stunden, bis die Polizei drei Frauen und sechs Männer festnahm und sie bei einer Pressekonferenz triumphierend vorführte. Zu den Verhafteten gehört mit der 29jährigen Agrarökonomin Sonia Muñoz die Tochter eines bekannten Funktionärs der Bauernorganisation OCN. Offenbar reichte schon die Tatsache, daß sie in Kuba studiert hatte, um sie in den Kreis der Verdächtigen aufzunehmen. Den neun Verhafteten wird jedoch nicht die Entführung Zavalas zur Last gelegt, sondern nur eine »logistische Unterstützung« der EPP.

Das Bündnis »Einheitlicher Weg – Volkskongreß« (EUCP), ein Zusammenschluß von sieben linken Parteien, kritisierte das Vorgehen der Sicherheitskräfte. »Die Razzien müssen im Rahmen der Gesetze bleiben, die Situation darf nicht dazu ausgenutzt werden, um die Führungspersönlichkeiten sozialer Bewegungen zu verfolgen«, erklärte sein Sprecher Luis Aguayo bei einer Pressekonferenz in Asunción. Zur Verbesserung der Lage reiche eine Verstärkung der Sicherheitskräfte nicht aus. Wichtig sei eine Politik der so­zialen Entwicklung, so Aguayo.

Auch die Paraguayische Kommunistische Partei (PCP), die dem Bündnis ebenfalls angehört, unterstützte die Fahndung nach den Entführern, warnt jedoch: »Die historische Praxis der nationalen Polizei ist Gewalt und Repression. Wenn dazu noch ihre Beratung durch die terroristischen Regierungen Kolumbiens und der USA kommt, haben wir einen finsteren Cocktail, der für die Volksbewegung tödlich sein kann«. Zavala hatte sich unmittelbar nach seiner Freilassung ausdrücklich bei der kolumbianischen Regierung bedankt, weil diese seine Freilassung unterstützt habe.

International hatte die Entführung Zavalas am 12. Januar für Aufsehen gesorgt, als die Angehörigen des Großgrundbesitzers in einem Armenviertel der Hauptstadt Asunción kostenlos das Fleisch von zehn Rindern an die dort lebenden Menschen verteilen ließen und so eine Forderung der Entführer erfüllten.

Erschienen am 22. Januar 2010 in der Tageszeitung junge Welt und am 23. Januar 2010 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek