Rekordhalter des Tages: Joachim Gauck

Joachim Gauck hat in den letzten Wochen seiner Amtszeit noch einmal einen Rekord gebrochen. Dies ist das 15. Porträt, das wir dem scheidenden Bundesgrüßonkel gewidmet haben. Damit hat er Barack Obama überholt, der es bislang nur 14mal zum »des Tages« gebracht hat, während Nachwuchsdiktator Recep Tayyip Erdogan nur fünfmal die Ecke unten links auf Seite 8 besetzt hat.

Herr Gauck hat sich seinen Rekord wirklich verdient. In seiner inoffiziel­len Abschiedsrede versammelte er am Mittwoch in Berlin noch einmal all die reaktionären Platitüden, die ihm an dieser Stelle in den vergangenen Jahren so liebevolle Bezeichnungen wie »Garnisonspfaffe«, »Wanderprediger«, »Tiefflieger« und »Maulheld des Tages« eingebracht haben. So verkündet der mitfühlende Kirchenmann: »Es ist gelungen, die Zahl der Flüchtlinge und illegalen Einwanderer nach Europa und nach Deutschland deutlich zu reduzieren.« 2016 starben mehr als 5.000 Menschen bei der Flucht über das Mittelmeer, seit Beginn dieses Jahres waren es bereits 219. Das sagt er nicht.

Dafür spricht er gerne von der »offenen Gesellschaft«. Offen ist die aber nur nach rechts. »Die Einbeziehung von Positionen und Themen, die von der politischen Mitte kritisch beäugt werden, kann hilfreich sein, denn sie erhöht mittelfristig die Akzeptanz demokratischen Regierens«, predigt Gauck. Glaubt jemand, dass der klerikale Antikommunist damit soziale Gerechtigkeit und internationale Friedenspolitik meinen könnte? Oder buhlt er um die Widerlinge am rechten Rand? Gauck geht es darum, Deutschland »great again« zu machen. »Nicht zuletzt durch amerikanische Selbstbeschränkung entstehen Zonen, in denen sich Mächte neu gruppieren oder neue Ansprüche anmelden. Deutschland als starker und verantwortungsvoller Partner in der Union kann mehr Gestaltungswillen als bisher für das größere Ganze aufbringen. Wir können? Nein, wir müssen!« Germans to the front.

Erschienen am 19. Januar 2017 in der Tageszeitung junge Welt