Rechtsruck

In Spanien kehrt die Rechte an die Regierung zurück. Dem vom Innenministerium in Madrid in der Nacht zum Montag veröffentlichten Endergebnis zufolge kam die einst von Funktionären des untergegangenen Franco-Regimes gegründete Volkspartei (PP) bei den am Sonntag durchgeführten Parlamentswahlen auf 44,6 Prozent der Stimmen. Sie gewann die absolute Mehrheit von 186 der 350 Mitglieder im Repräsentantenhaus. Im Senat, dem Oberhaus des spanischen Parlaments, ist die Übermacht der Rechten noch erdrückender. 136 der 208 Senatoren stellt künftig die PP. Die sozialdemokratische bisherige Regierungspartei PSOE erlitt ihre schwerste Niederlage der vergangenen Jahrzehnte und kam nur noch auf 28,7 Prozent der Stimmen, ein Minus von mehr als 15 Prozentpunkten.

Einen Erfolg konnte hingegen die kommunistisch geprägte Vereinigte Linke (IU) feiern. Mit fast 1,7 Millionen Stimmen und 6,9 Prozent konnte sie ihren Anteil gegenüber der letzten Wahl 2008 fast verdoppeln. Sie wird künftig nicht mehr nur mit zwei Repräsentanten im Unterhaus vertreten sein, sondern eine elfköpfige Fraktion bilden können. Trotzdem kritisierte IU-Chef Cayo Lara erneut das spanische Wahlrecht, das die beiden großen Parteien und regionale Kräfte bevorzugt. Zwar gilt in Spanien das Verhältniswahlrecht, aber die Stimmen werden für jede einzelne der 52 Provinzen getrennt ausgezählt und gewertet, wodurch speziell in Wahlkreisen mit geringerer Bevölkerungszahl faktisch nur die großen Parteien eine Chance haben, Vertreter nach Madrid zu entsenden. Nach einer tatsächlichen Verhältniswahl hätte die Linke 14 Abgeordnete mehr, kritisierte Lara.

Keine Chance auf Sitze im Parlament hatten kleinere linke Listen, die sich unter den insgesamt 62 antretenden Parteien und Bündnissen fanden. So kam die Kommunistische Partei der Völker Spaniens (PCPE), die in den 80er Jahren als Abspaltung von der KP (PCE) entstanden war, auf gut 26000 Stimmen, was 0,1 Prozent entspricht. Allerdings konnte die PCPE nicht in allen Wahlbezirken antreten, zumal ihrer Liste in Katalonien die Zulassung verweigert wurde. Das linksradikale Bündnis »Anticapitalistas« kam mit gut 24000 Stimmen auf einen vergleichbaren Wert, während die eher maoistisch orientierte Kommunistische Vereinigung (UCE) 0,06 Prozent erreichte.

Wahlsieger Mariano Rajoy verkniff sich am Wahlabend lautstarken Jubel. »Die Lage ist nicht zum Feiern«, spielte er auf die Wirtschafts- und Finanzkrise an und versprach, Spanien werde künftig in Europa »kein Problem mehr, sondern Teil der Lösung« sein: »Die spanische Stimme muß wieder in Brüssel, in Frankfurt und überall, wo unsere Interessen auf dem Spiel stehen, respektiert werden.« Die selbsternannten Machthaber in der EU, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy, gehörten entsprechend zu den ersten Gratulanten, die Rajoy telefonisch kontaktierten.

Während sich PP und PSOE im Wahlkampf kaum in ihren Kürzungsplänen unterschieden hatten, warfen sie sich gegenseitig wiederholt Streichungen vor, die vom jeweiligen Gegner geführte Regionalregierungen in den vergangenen Monaten vorgenommen worden waren. In seiner ersten Ansprache nach Bekanntwerden der Ergebnisse bemühte sich Rajoy nun, die Gemüter zu beruhigen: »Es wird für mich keine anderen Feinde geben als die Arbeitslosigkeit, das Defizit, die übermäßige Verschuldung, die wirtschaftliche Stagnation und all das, was unser Land in dieser kritischen Situation hält«, erklärte er in Madrid.

Erschienen am 22. November 2011 in der Tageszeitung junge Welt