Rechte unter Zeitdruck

Die nächsten Präsidentschaftswahlen in Venezuela finden regulär erst im Herbst 2018 statt. Doch so lange will die rechte Opposition des südamerikanischen Landes nicht warten. In dieser Woche kündigten führende Vertreter des »Tisches der demokratischen Einheit« (MUD) eine Kampagne an, durch die Staatschef Nicolás Maduro noch in diesem Jahr gestürzt werden soll. Darauf einigen, wie das erreicht werden soll, konnte sich das in mehrere Dutzend Parteien zersplitterte Lager allerdings nicht, deshalb sollen drei Alternativen parallel verfolgt werden: der »freiwillige« Rücktritt des Staatschefs, seine Amtsenthebung per Referendum oder eine Verkürzung seiner Amtszeit per Verfassungsänderung.

Für den heutigen Sonnabend haben die Rechten ihre Anhänger zu Demonstrationen aufgerufen, mit denen Maduro zum Amtsverzicht aufgefordert werden soll. Vertreter des Regierungslagers warnten, dass diese Mobilisierung offenbar ein Zugeständnis an den radikalen Flügel der Opposition ist, der auf einen gewaltsamen Regierungswechsel setze. Gegen diese Putschstrategie sowie gegen die Einmischung der USA ruft Venezuelas Linke deshalb für das Wochenende zu eigenen Kundgebungen auf.

MUD-Vertreter haben unterdessen Gespräche mit dem Nationalen Wahlrat (CNE) aufgenommen, um die Rahmenbedingungen eines Amtsenthebungsreferendums zu klären. Artikel 72 der venezolanischen Verfassung legt fest, dass der Präsident nach Ablauf der Hälfte seiner Amtszeit durch eine Volksabstimmung abgesetzt werden kann. Dazu ist nötig, dass mehr Menschen für eine vorzeitige Beendigung des Mandats votieren, als Maduro gewählt haben – das sind knapp 7,6 Millionen Stimmen. Am Donnerstag (Ortszeit) verabschiedete die von den Rechtsparteien kontrollierte Mehrheit der Nationalversammlung in erster Lesung ein Gesetz, das die Prozedur bis zum Stattfinden eines solchen Referendums beschleunigen soll. 2004 hatten die Regierungsgegner eine derartige Abstimmung schon einmal durchgesetzt, um den damaligen Präsidenten Hugo Chávez zu stürzen. Dieser konnte sich damals jedoch mit 59,1 Prozent der Stimmen durchsetzen.

Als dritte Option will der Rechtsblock im Parlament eine Verfassungsänderung verabschieden, durch die die Amtszeit des Präsidenten verkürzt und so Neuwahlen noch in diesem Jahr erzwungen werden. Unter venezolanischen Juristen ist jedoch umstritten, ob eine solche Entscheidung Maduro überhaupt beträfe oder erst für den nächsten Staatschef gelten würde. In jedem Fall verlangt die Verfassung für jede Änderung ihres Textes die Durchführung einer Volksabstimmung.

Hintergrund der zur Schau gestellten Eile der Opposition ist offenbar, dass jüngste Umfragen nahelegen, dass ihre Unterstützung in der Bevölkerung einbricht. Zwar würde derzeit offenbar noch eine Mehrheit gegen die Regierung votieren, doch gegenüber den Parlamentswahlen Anfang Dezember ist die Zustimmung zur Opposition um sechs Prozentpunkte zurückgegangen. Diese Zahl nannte der Journalist und frühere Vizepräsident José Vicente Rangel am vergangenen Sonntag in seiner wöchentlichen Sendung beim Fernsehsender Televen. Seinen Angaben zufolge legte der »Chavismo«, das linke Lager, gleichzeitig um sieben Punkte zu. Grund dafür sei, dass die Opposition im Parlament eine Agenda verfolge, die nichts mit den Problemen der Menschen zu tun habe: »Es stimmt nicht, dass eine Mehrheit für ein Ende der Präsidentschaft von Nicolás Maduro ist.« Ein Großteil der Öffentlichkeit sei vielmehr der Ansicht, dass Maduros Ausscheiden aus dem Amt die Probleme nicht lösen, sondern verschärfen würde.

Ein weiterer Grund für die Eile der Opposition ist, dass ihr nur noch wenige Monate bleiben, um Neuwahlen zu erzwingen. Wenn Maduro in den letzten zwei Jahren seiner Amtszeit abtreten würde, gäbe es nach den Vorgaben der Verfassung keinen vorzeitigen Urnengang. Vielmehr würde der Vizepräsident – derzeit Aristóbulo Istúriz – die Amtsgeschäfte bis zum regulären Ende des Mandats am 10. Januar 2019 ausführen. Die Deadline für die Regierungsgegner ist also der kommende Januar.

Erschienen am 12. März 2016 in der Tageszeitung junge Welt