»Diese Medien kennen unsere Realität nicht«

Gespräch mit Carolina Amador. Carolina Amador ist in der Nationalleitung des Kubanischen Frauenverbandes (FMC) zuständig für internationale Beziehungen

In der kubanischen Werbung für Tourismus und Rum werden gerne leichtbekleidete schöne Frauen abgebildet. Stört Sie das?

Als unser Land Anfang der 90er Jahre wegen des Wegfalls der Handelspartner und wegen der Blockade beginnen mußte, den Tourismus zu entwickeln, war das für uns eine Lehrzeit. Dabei haben wir auch bei der Herstellung von Werbematerial Fehler gemacht und statt die kubanischen Reiseziele zu präsentieren, lieber Mulattinnen im Bikini abgebildet. Aber diese Fehler wurden überwunden, und diese Art von Werbung wird in Kuba nicht mehr produziert. Wenn es heute noch Werbung von Havana Club gibt, die so gestaltet ist, dann stammt sie nicht aus Kuba.

War dieser Einstieg in die Werbung ein Ausdruck des berühmten lateinamerikanischen Machotums?

Auch in Kuba gibt es diesen Machismo noch, aber in sehr viel geringerem Maß als in Lateinamerika. Seit 50 Jahren gibt es bei uns eine Strategie und Politik, Frauen die gleichen Chancen einzuräumen. Frauen besetzen heute Bereiche in allen Teilen unserer Gesellschaft. In einigen Bereichen können wir geradezu von einer Feminisierung sprechen, zum Beispiel im Bildungswesen oder im Gesundheitsbereich. Im Bereich der technischen Berufe machen Frauen bereits zwei Drittel der Beschäftigten aus. 43 Prozent der Parlamentsabgeordneten sind weiblich und 70 Prozent der Richter, Verteidiger und Staatsanwälte, ebenso 53 Prozent der Universitätsdozenten. Gerade seit den 80er Jahren gibt es einen Prozeß der Förderung von Frauen im Berufsleben, und der ist noch nicht abgeschlossen, sondern geht weiter. Frauen und Männer, die den gleichen Beruf haben, verdienen auch dasselbe. Kuba hat also in diesem Bereich sehr viel erreicht.

Manche Touristen interessieren sich aber viel mehr für die Frauen, die sich prostituieren. Bei Kontrollen werden dann aber nur die Frauen bestraft, während diese Männer straffrei ausgehen. Warum?

Wir haben in Kuba nicht das schwedische Gesetz, das den Kunden bestraft. Nach unserem Gesetz wird eine Person, die sich prostituiert, verwarnt, aber in keinem Fall wird sie deshalb ins Gefängnis gesteckt. In so einem Fall – wenn es sich um eine Frau handelt – informieren die Behörden den Frauenverband, damit wir mit dieser Frau Kontakt aufnehmen können. Wir setzen den Schwerpunkt auf die Prävention, und auch deshalb ist die Prostitution in Kuba zurückgegangen. Wir haben die Arbeit in den Gemeinden verstärkt und betreuen vor allem Jugendliche und Frauen, die nicht arbeiten oder studieren. Aber natürlich ist auch diese Arbeit nicht so perfekt, wie wir sie gern hätten. Unser Ziel ist es zu erreichen, daß keine Frau so wenig Selbstachtung hat, daß sie ihren Körper verkauft. In Kuba ist die Lage anders als etwa in Lateinamerika, wo sich Frauen prostituieren müssen, um ein Stückchen Brot zu bekommen. Bei uns muß sich niemand prostituieren, um zu überleben.

Fast die einzigen kubanischen Frauen, die ansonsten in der deutschen Presse eine Rolle spielen, sind die sogenannten »Damen in Weiß« …

Das zeigt, daß diese Medien die kubanische Realität kaum kennen. Es wäre besser, wenn sie zum Beispiel über die kubanischen Medizinerinnen berichten würden, die in Haiti helfen, denn das ist weltweit kaum bekannt. An unseren internationalen Kooperationsmissionen sind mehr Frauen als Männer beteiligt. Sie zeigen einen tollen Einsatz zur internationalen Solidarität mit anderen Völkern. Wir als Kubanischer Frauenverband mit mehr als vier Millionen Mitgliedern haben es nicht verdient, mit diesen »Damen in Weiß«, die vermutlich fremdgesteuert für Pressefreiheit und Demokratie demonstrieren, in einen Topf geworfen zu werden.

Oder warum berichten die Medien nicht über die Ehefrauen und Familienangehörigen unserer »Cuban five«, die in den USA im Gefängnis sitzen, weil sie US-Terroranschläge verhindern wollten. Ihren Ehefrauen wird immer wieder das Visum für die USA verweigert, so daß sie ihre Männer nicht besuchen können.

Erschienen am 2. August 2010 in der Tageszeitung junge Welt