Esther López Barceló

»Der soziale Kampf findet auch auf der Straße statt«

Esther López BarcelóAuch Parlamentarier der spanischen Vereinigten Linken beteiligen sich an den Protesten der »Empörten«. Gespräch mit Esther López Barceló, Mitglied der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE). Bei den Regionalwahlen im Mai wurde sie in das Parlament der Autonomen Region Valencia gewählt

Die Bewegung der »Empörten« in Spanien ist aus den deutschen Massenmedien weitgehend verschwunden. Hat sie sich mit der Beendigung der Protestcamps aufgelöst?

Die Tatsache, daß eine so wichtige Rebellion wie die »Bewegung 15-M«, benannt nach dem Datum ihrer großen Auftaktdemonstrationen am 15. Mai, aus der internationalen Presse verschwunden ist, zeigt, für wie bedeutend und gefährlich sie von den faktischen Mächten gehalten wird. Aber die Bewegung hat den Protest nicht aufgegeben, sondern setzt ihn fort, und zwar noch stärker, wenn das überhaupt möglich ist. Am vergangenen Wochenende demonstrierten in Madrid Empörte, die in kilometerlangen Märschen aus ihren Herkunftsorten zum Kongreß gekommen waren. Ihr Motto war: »Es ist keine Krise, es ist das System!«

Ein Thema der Bewegung ist der Protest gegen Zwangsräumungen von Wohnungen…

Die Zwangsräumungen sind der tragischste Ausdruck dessen, was die Krise für Tausende Menschen in Spanien bedeutet. Mehr als 100000 Familien leben heute im tiefsten Elend, weil sie ohne Haus dastehen, aber weiter die Hypothek bezahlen müssen. Die Vereinigte Linke hat bereits zweimal im Kongreß den Rücktritt von den Forderungen beantragt. Das bedeutet, wenn der Familie das Haus genommen wird, muß die Bank deren Schulden übernehmen und den Menschen so erlauben, ihr Leben zurückzugewinnen. Aber die rechte PP und die sozialdemokratische PSOE haben sich einer solchen Maßnahme beharrlich widersetzt und damit gezeigt, daß sie sich wirtschaftspolitisch in keiner Weise unterscheiden.

Sie sind Abgeordnete der Cortes Valencianas, des Parlaments der Autonomen Region Valencia. Trotzdem haben Sie sich aktiv an einigen Aktionen gegen Zwangsräumungen beteiligt?

Als Mitglieder der Vereinigten Linken verstehen wir Inhaber öffentlicher Ämter die Institutionen als ein Werkzeug zur Veränderung der Gesellschaft, aber nicht als das einzige. Der soziale Kampf findet auch auf der Straße statt. Deshalb beteilige ich mich weiterhin an den sozialen Bewegungen. Die Arbeit im Parlament wird durch diese Aktionen komplettiert, da sie die realen Probleme sichtbar machen.

Wie reagieren die Abgeordneten anderer politischer Gruppierungen auf Ihre Aktivitäten?

Meine Genossen stimmen mit meinem Verständnis von Politik überein. Was die übrigen Abgeordneten denken, weiß ich nicht. Ich verhalte mich entsprechend den Anforderungen meiner Organisation.

Welche Perspektive hat die Bewegung der Empörten mittelfristig?

Ich kann nicht für diese Bewegung sprechen, aber die Arbeit, die sie zur Zeit leistet, ist, sich nach Stadtvierteln und enger begrenzten Gebieten zu strukturieren, um konkretere Aktionen durchführen zu können.

Als die Initiative 15-M entstand, wurde sie von Teilen der spanischen Linken distanziert beobachtet und als eine Bewegung »von klar kleinbürgerlichem Charakter« kritisiert. Wie stehen Sie dazu?

Meine Partei, die Kommunistische Partei Spaniens (PCE), hat die Existenz dieser Bewegung als etwas sehr Positives verteidigt. Sie steht für das, was die gesellschaftliche Mehrheit fordert und braucht. Deshalb müssen wir uns an dieser Initiative beteiligen, die klar gegen das System rebelliert. Außerdem entsprechen ihre Hauptforderungen denen, die wir praktisch seit unserer Gründung in unseren Wahlprogrammen festgehalten haben. Deshalb ist es so, wie es der frühere PCE-Generalsekretär Julio Anguita formuliert hat: Sie gehören zu uns.

Aber der Vereinigten Linken ist es bislang nicht gelungen, aus dieser Bewegung Kraft zu schöpfen. Warum?

Sie ist sehr heterogen. Und wir haben kein Interesse daran, sie auszunutzen, denn das würde bedeuten, daß wir den Grund ihrer Existenz nicht verstanden hätten.

Erschienen am 28. Juli 2011 in der Tageszeitung junge Welt