Raus aus Spanien und aus der EU

Katalonien hat am Mittwoch mit zahlreichen Veranstaltungen an den Verlust seiner Unabhängigkeit vor 299 Jahren erinnert. Am 11. September 1714 hatte Barcelona vor den Belagerungstruppen Frankreichs und Spaniens kapitulieren müssen. In diesem Jahr wurde der katalanische Nationalfeiertag »Diada Nacional de Catalunya« vor allem genutzt, um für mehr Eigenständigkeit der autonomen Region von Spanien zu demonstrieren. Um 17.14 Uhr reichten sich dazu Hunderttausende die Hand zu einer 400 Kilometer langen Menschenkette, die von der französischen Grenze bis zum südlichen Ende Kataloniens reichte. Eine Verlängerung der Menschenkette auf das Gebiet der angrenzenden Valencianischen Gemeinschaft, in der ebenfalls Katalanisch gesprochen wird, hatte die spanische Regierung verboten. Zu der Aktion aufgerufen hatte die Katalanische Nationalversammlung (ANC), um damit erneut für die Unabhängigkeit des Landes zu demonstrieren. Im Jahr zuvor hatte das überparteiliche Bündnis offiziellen Zahlen zufolge rund 1,5 Millionen Menschen zur größten Demonstration in der Geschichte Kataloniens mobilisieren können.

 

Vor der Menschenkette fanden traditionsgemäß zahlreiche offizielle Gedenkzeremonien statt, bei denen die verschiedenen katalanischen Parteien Blumengebinde am Denkmal für Rafael Casanova niederlegten. Casanova war während der Belagerung 1714 Vorsitzender des Stadtrates von Barcelona und starb bei der Verteidigung der Stadt. An einer weiteren offiziellen Veranstaltung im Parc de la Ciutadella nahe des katalanischen Parlaments beteiligten sich Vertreter der Regierung und die Abgeordneten der verschiedenen Parteien. Die rechte Volkspartei (PP) boykottierte den Staatsakt und warf dem katalanischen Präsidenten vor, eine Atmosphäre der »Spaltung und Konfrontation« geschaffen zu haben.

Für 19 Uhr – nach jW-Redaktionsschluß – hatten zahlreiche Organisationen der Esquerra Independentista, der linken Unabhängigkeitsbewegung, zu einer Demonstration aufgerufen. Parteien wie die im Parlament vertretene Kandidatur der Volkseinheit (CUP) oder der linksradikale Jugendverband Arran wollten dabei dafür auf die Straße gehen, daß die angestrebte Eigenständigkeit Kataloniens nicht nur einen Wechsel der Landesfahne bedeutet. Gefordert wurden der Austritt aus der EU, die Verstaatlichung des gesamten Bankensystems sowie ein Verbot der Privatisierung von Gesundheitsversorgung und Bildungseinrichtungen.

Für Unverständnis hatte bei vielen Aktivisten hingegen die Ankündigung der linksgrünen ICV gesorgt, die sich einem Aufruf zur Umzingelung der Banktürme der La Caixa parallel zur Menschenkette angeschlossen hatte. Parteichef Joan Herrera kritisierte, der Aufruf der ANC habe sich nur an die Unterstützer der Unabhängigkeit gerichtet und grenze diejenigen aus, die sich bislang nur für das Recht der Katalanen einsetzen, selbst über ihre Zukunft zu entscheiden.

Erschienen am 12. September 2013 in der Tageszeitung junge Welt