»Alles legal«

Krampfhaft bemühen sich die Putschisten in Honduras, den Anschein von Normalität aufrechtzuerhalten. So forderte der von den Putschisten eingesetzte »Außenminister« Enrique Ortez Colindres die Botschafter des zentralamerikanischen Landes im Ausland auf, sich hinzusetzen und »ein Täßchen Kaffee zu trinken«, denn »hier ist nichts passiert, alles ist legal«.

Während das staatliche Fernsehen am Morgen des 28. Juni, dem Tag des Staatsstreichs, abgeschaltet und ausländische Fernsehsender wie TeleSur und Cubavisión aus den Kabelnetzen verbannt wurden, schlossen sich die meisten kommerziellen Kanäle der Version der Putschisten an. Wohl kaum zufällig, wie zum Beispiel der kubanische Journalistenverband UPEC enthüllte. Eigentümer der wichtigsten Fernsehstation in San Pedro Sula, der zweitgrößten Stadt von Honduras, die seither nur die Propagandameldungen der Diktatur ausstrahlt, ist Ralph Nadarse. Im Jahr 2004 hatte er bei sich zu Hause den international gesuchten Terroristen Luis Posada Carriles aufgenommen, nachdem dieser von der damaligen Präsidentin von Panama, Mireya Moscoso, begnadigt worden war. Heute lebt Posada, dessen Auslieferung wegen terroristischer Anschläge sowohl Kuba als auch Venezuela fordern, wohlbehütet in den USA.

Andere Sender, die sich nicht so vorbehaltlos hinter die Linie der Putschisten stellen, müssen ständig mit Besuchen des Militärs rechnen. So konnte der Privatsender Canal 36 erst am Montag wieder seinen Betrieb aufnehmen, nachdem er am 28. Juni von Militärs besetzt worden war. Wie der Direktor des Senders in einem Interview mit dem venezolanischen Fernsehsender VTV erläuterte, hatte der Kanal bei der für Menschenrechtsfragen zuständigen Staatsanwaltschaft in Tegucigalpa Klage gegen die Schließung eingereicht, worauf diese unter internationalem Druck den Abzug der Soldaten anordnete.

Wo solche Maßnahmen nicht ausreichen, um Friedhofsruhe in den honduranischen Medien durchzusetzen, greifen die Putschisten zu einer »eleganteren« Variante. Als am Sonntag mehrere hunderttausend Menschen gegen den Staatsstreich demonstrierten und am Flughafen der Hauptstadt auf die dann vom Militär verhinderte Landung des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya warteten, berief Putschistenchef Roberto Micheletti eine Pressekonferenz ein. Alle legalen Sender mußten daraufhin die inhaltsleere Ansprache Michelettis statt Bilder von der Massenkundgebung ausstrahlen.

Der kommerzielle Sender Radio Globo Honduras ist zu einem Symbol geworden, weil seine Journalisten mutig immer wieder die Zensur durchbrachen und auch Angriffen des Militärs trotzten. Bei der Flucht vor einem Überfall von Soldaten sprang Globo-Chefredakteur David Romero aus einem Fenster, wobei er schwer verletzt wurde. Nachdem der Sender geschlossen worden war, setzten die Journalisten die Arbeit aus dem Untergrund fort und konnten den Betrieb zumindest über Internet aufrechterhalten. Auch in einigen Landesteilen konnte der Sender weiter gehört werden und stellte seine Mikrofone auch Kollegen zur Verfügung, deren Stationen abgeschaltet worden waren. Zwischenzeitlich konnte der Sender den legalen Betrieb wieder aufnehmen, aber am vergangenen Donnerstag kamen erneut Soldaten und schlossen zeitweise die Studios, nachdem Radio Globo es gewagt hatte, den rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya zu interviewen.

Ein kleiner, von Jesuiten betriebener Sender in der Stadt El Progreso wurde ebenfalls zu einem Symbol für Unterdrückung und Widerstand. Nur wenige Stunden, nachdem Soldaten die Präsidentenresidenz in Tegucigalpa überfallen, Präsident Zelaya verschleppt und schließlich mit einem Flugzeug außer Landes gebracht hatten, standen auch bei Radio Progreso Soldaten vor der Tür und umstellten die Einrichtungen. Der Sender informierte live seine Hörer. Wenig später versammelten sich Hunderte an den Studios und umstellten ihrerseits die Soldaten. Um gewaltsame Zusammenstöße zu verhindern, fügten sich die Journalisten zunächst den Befehlen der Soldaten, so daß Radio Progreso einen Tag lang schwieg. Am nächsten Morgen fanden sich die Sprecher und Journalisten jedoch wieder an ihrem Arbeitsplatz ein und konnten mit großer Unterstützung aus der Bevölkerung die Soldaten dazu bewegen, die Studios zu verlassen. Vorübergehend konnte der Sender seinen Betrieb wieder aufnehmen, aber nur weitere 24 Stunden später, am 30. Juni, wurde Radio Progreso informiert, daß eine erneute Schließung bevorstand. Daraufhin verließen die Mitarbeiter die Studios und setzten ihre Arbeit aus dem Untergrund fort.

Die deutsche FDP und ihre Friedrich-Naumann-Stiftung, die auf ihren Internet-Seiten die Putschisten mit nur wenigen Einschränkungen verteidigen (»Die Legende vom Militärputsch in Honduras«) wollen von der Zensur nichts wissen: »Die Presse konnte über alle Menschenansammlungen berichten, im Gegensatz zu vergangenen Tagen wurde von keinerlei Übergriffen auf Reporter berichtet, nichts wurde zensiert«, heißt es in einem auf den 2. Juli datierten Bericht auf der Stiftungshomepage.

Erschienen am 8. Juli 2009 in der Tageszeitung junge Welt und am 9. Juli 2009 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek