Radikaler Papst

Papst Benedikt XVI. hat die Gläubigen während des katholischen »Weltjugendtags« am Freitag in Madrid zu mehr religiöser »Radikalität« aufgerufen, um sich gegen eine »Amnesie« und zunehmende Ablehnung des Christentums in der heutigen Gesellschaft zu wehren. Dazu müsse auch die Erziehung dienen, ansonsten drohten der »Mißbrauch einer grenzenlosen Wissenschaft« und »politischer Totalitarismus«. Dagegen helfe nur, wenn die Lehrenden den Jugendlichen »den Weg zur Wahrheit« zeigten, der sich auf »Liebe und Glauben« gründen müsse.

Am Donnerstag abend prügelte die spanische Polizei erneut auf Demonstranten ein, die an der Puerta del Sol im Zentrum Madrids wieder gegen die staatliche Finanzierung des kirchlichen Großereignisses sowie gegen die Übergriffe der Beamten auf eine laizistische Großkundgebung am Vortag protestieren wollten. Nachdem es zu Wortgefechten zwischen Besuchern des »Weltjugendtages« und den Demonstranten gekommen war, räumte die Polizei gewaltsam den Platz. Im Internetportal Youtube veröffentlichte Videos zeigen, wie die Beamten dabei regelrecht Jagd auf eine Gruppe von etwa 30 Jugendlichen machten und auf mehrere einschlugen, obwohl von ihnen keine Provokationen ausgegangen waren. Gegenüber der Tageszeitung El País berichteten die Betroffenen, die Polizisten hätten sie nicht angesprochen, sondern ohne Warnung auf sie eingeschlagen. Besonders auf eine zierliche junge Frau schienen es die Uniformierten dabei abgesehen zu haben.

Auch am Wochenende wollen zahlreiche Kritiker der offiziellen Kirchenposition ihre abweichende Meinung auf die Straße bringen. So rief die Stiftung »Triángulo« (Dreieck) zu einer Demonstration »für die Rechte aller Familienmodelle« auf. Obwohl die katholische Kirche als ein »mächtiger transnationaler Konzern« alle ihre Mittel aufwende, um während des Treffens in Madrid ihre Macht zu demonstrieren, wolle man zeigen, daß es nicht nur eine einzige mögliche Form des menschlichen Zusammenlebens gebe, heißt es in dem auf der Homepage der Organisation verbreiteten Aufruf. Deshalb sollten »Heterosexuelle, Homosexuelle, Bisexuelle, Transsexuelle, Eltern, minderjährige Mütter, Großeltern, Enkel, Familien mit nur einem Vater, nur einer Mutter, zwei Vätern oder zwei Müttern« zu der von den Behörden genehmigten Kundgebung zusammenkommen.

Erschienen am 20. August 2011 in der Tageszeitung junge Welt