Putschisten vor Gericht?

Wenige Tage, bevor das honduranische Parlament über eine Amnestie im Zusammenhang mit dem Staatsstreich vom 28. Juni vergangenen Jahres diskutieren will, hat die Staatsanwaltschaft des zentralamerikanischen Landes Haftbefehle gegen die führenden Militärs beantragt. Wie der Staatsanwalt für Korruptionsverfahren, Henry Salgado, bestätigte, ermittelt seine Behörde gegen Generalstabschef Romeo Vásquez Velásquez und die übrigen fünf Mitglieder des Oberkommandos des honduranischen Militärs. Zur Last gelegt wird den Generälen allerdings nicht der Sturz des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya, sondern nur dessen »Ausweisung« nach Costa Rica. Die Residenz des Präsidenten in Tegucigalpa war in den frühen Morgenstunden des 28. Juni 2009 von vermummten Soldaten gestürmt worden. Der Staatschef wurde verschleppt und wenig später in ein Flugzeug gesetzt, das ihn nach einer Zwischenlandung auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Palmerola nach Costa Rica brachte. Dieses Vorgehen sei »Amtsmißbrauch« gewesen, sagte nun Generalstaatsanwalt Luis Rubí.
Bereits kurz nach dem Staatsstreich hatten Vertreter der Putschisten eingeräumt, daß zumindest die Verbannung Zelayas illegal gewesen sei. De-facto-Präsident Roberto Micheletti hatte sogar angekündigt, die Verantwortlichen müßten sich dafür vor Gericht verantworten. Es hatte jedoch auch Spekulationen gegeben, durch die Verschleppung Zelayas ins Ausland sei dessen Leben gerettet worden. General Vásquez Velásquez hingegen hatte im August gegenüber der in Tegucigalpa erscheinenden Tageszeitung La Tribuna gesagt, die Entscheidung zur »Ausweisung« Zelayas sei erfolgt, weil es ein zu großes Risiko gewesen wäre, ihn in einem Gefängnis oder auf einem Militärstützpunkt festzuhalten, weil die Anhänger Zelayas hätten versuchen können, diesen gewaltsam zu befreien.

Zelaya selbst warnte, das Vorgehen der Staatsanwaltschaft diene lediglich dazu, die Straffreiheit für die Putschisten vorzubereiten. »Der Staatsanwalt ist ebenso oder noch mehr für die Durchführung dieses Staatsstreichs verantwortlich wie die Militärs«, sagte er gegenüber dem lateinamerikanischen Fernsehsender TeleSur. »Mit diesen Aktionen will er, metaphorisch gesprochen, genauso handeln wie Pontius Pilatus und sich und dem Obersten Gerichtshof die Hände in Unschuld waschen«, sagte er. Die Staatsanwaltschaft hatte kurz nach dem Putsch einen Haftbefehl gegen Zelaya erlassen, der den Putschisten als Legitimation für ihr Vorgehen diente. Noch im Dezember hatte sich das Putschregime unter Verweis auf diesen Haftbefehl geweigert, Zelaya ein Verlassen der brasilianischen Botschaft in Tegucigalpa zu gestatten, in der sich der rechtmäßige Präsident seit seiner überraschenden Rückkehr nach Honduras am 21. September aufhält.

Die Widerstandsbewegung gegen die Putschisten hat unterdessen ihre Protestdemonstrationen wieder aufgenommen. Für Donnerstag war ein Marsch zum Parlament angekündigt, mit dem gegen den vom Regime angestrebten Austritt des Landes aus der Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA) protestiert werden sollte. Rafael Alegría von der Nationalen Widerstandsfront gegen den Staatsstreich sagte gegenüber der Agentur Prensa Latina, der unter der Regierung Zelaya im August 2008 erfolgte Beitritt seines Landes zu dem von Kuba und Venezuela gegründeten Staatenbündnis habe in Honduras die Durchführung wichtiger Sozialprogramme für die ärmsten Schichten der Bevölkerung ermöglicht. Dazu gehörten Alphabetisierungskurse und Verbesserungen im Bereich der Gesundheitsversorgung, so Alegría.

Erschienen am 8. Januar 2010 in der Tageszeitung junge Welt