junge Welt vom 23. September 2009

Putschisten geschockt

junge Welt vom 23. September 2009Fast drei Monate nach dem Putsch ist der rechtmäßige Präsident von Honduras, Manuel Zelaya, am Montag überraschend in die Hauptstadt Tegucigalpa zurückgekehrt. Der am 28. Juni gestürzte Staatschef fand zunächst Zuflucht in der brasilianischen Botschaft, nachdem er offenbar von El Salvador aus über die grüne Grenze nach Honduras gereist war. Er habe eine fünfzehnstündige, anstrengende Reise hinter sich, bei der er aus Sicherheitsgründen mehrfach das Fahrzeug gewechselt habe, berichtete Zelaya nach seiner Ankunft in Tegucigalpa.

Das Putschistenregime wurde von der Ankunft Zelayas eiskalt erwischt. Nachdem der alternative Sender Radio Globo und andere Medien erste Meldungen über die Rückkehr Zelayas verbreitet hatten, sprach der von den Putschisten eingesetzte »Übergangspräsident« Roberto Micheletti noch von »Medienterrorismus« und kündigte an, den ohnehin von Schließung bedrohten Sender als »terroristische Vereinigung« verfolgen zu wollen. »Zelaya sitzt ganz bequem in einer Hotelsuite in Managua«, behauptete Micheletti, während der Generalstab zu einer Sondersitzung zusammenkam. Der militärische Führer der Putschisten, General Romeo Vásquez Velásquez, beklagte sich, die Grenzposten hätten keine Einreise von irgendjemandem gemeldet.

Wenig später informierten jedoch Zelayas Ehefrau Xiomara Castro und die brasilianische Botschaft, daß sich der Präsident in der Vertretung des südamerikanischen Landes aufhalte. Tausende machten sich dorthin auf den Weg, während die von den Putschisten kontrollierten Fernsehsender weiter Telenovelas und Sportübertragungen zeigten. Als der Sender Canal36 erste Bilder von Zelaya in den Räumen der Botschaft sendete und auch das State Department in Washington die Anwesenheit Zelayas bestätigte, mußte das Regime die Realität zähneknirschend anerkennen. Micheletti forderte die brasilianische Regierung auf, Zelaya wegen eines bestehenden Haftbefehls an die von ihm kontrollierten Behörden auszuliefern.

Vor dem Botschaftsgebäude versammelten sich unterdessen mehr als 20000 Menschen, um ihren Präsidenten zu sehen und die sofortige Wiederherstellung der demokratischen Verhältnisse in Honduras zu fordern. Während sich auch aus anderen Teilen des Landes Tausende auf den Weg nach Tegucigalpa machten, verhängten die Putschisten zum ersten Mal seit mehreren Wochen wieder eine Ausgangssperre über die Stadt, die bis 18 Uhr Ortszeit (Mittwoch, 2 Uhr MESZ) verlängert wurde. In den gestrigen Morgenstunden begannen vermummte Polizisten und Soldaten, mit Tränengas, Schlagstöcken und Schüssen gegen die vor der Vertretung ausharrenden Menschen vorzugehen. Zunächst unbestätigte Berichte sprechen von zahlreichen Verletzten und zwei Toten. Selbst die den Putschisten treu ergebene Tageszeitung El Heraldo schreibt, das Areal rings um die Botschaft gleiche nach der Polizeiaktion »einem Kriegsgebiet«. An den Zufahrtsstraßen der Stadt errichteten Polizei und Militär Straßensperren, die Flughäfen des Landes wurden geschlossen. »Wir werden den inneren Frieden um jeden Preis bewahren«, drohte General Vásquez Velásquez, »selbst wenn das Leben kosten sollte.«

Erschienen am 23. September 2009 in der Tageszeitung junge Welt