Putsch in Washington

Es gibt einen alten Witz, der besonders gerne in Lateinamerika erzählt wird: »Warum hat es in den USA noch nie einen Putsch gegeben? Weil in Washington keine US-Botschaft existiert.« Damit wird auf die große Erfahrung angespielt, die man in Washington bei der Destabilisierung und beim Sturz unliebsamer Regierungen hat.

Diese Expertise richtet sich derzeit gegen die eigene Führung. Es begann mit der internationalen Medienkampagne gegen den neuen US-Präsidenten. Donald Trump wird zur Last gelegt, was in Europa schulterzuckend akzeptiert wird: Mauer an der Grenze zu Mexiko? Pfui! Mauer an der spanischen Grenze in Ceuta und Melilla? Kein Thema, mit Millionen aus EU-Geldern finanziert.

Auch weite Teile der Ministerialbürokratie und der Geheimdienste in den USA setzen offenkundig alles daran, dem neuen Staatschef den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Der Rücktritt des Nationalen Sicherheitsberaters Michael Flynn am Montag ist in diesem Kontext nicht deshalb bedeutsam, weil ein militaristischer Hetzer seinen Job los ist. Entscheidend ist, dass der Vertraute des Präsidenten über eine Geheimdienstoperation gestolpert ist. Das FBI hörte seine Telefongespräche mit dem russischen Botschafter Sergej Kisljak ab, die Washington Post wurde mit den nötigen Brocken gefüttert – und der »Skandal« war da. Dass vom FBI bei den Gesprächen nichts Illegales festgestellt wurde, ist dabei kaum von Belang.

Auch die Maßnahmen des US-Finanzministeriums gegen Venezuelas Vizepräsidenten Tareck El Aissami riechen nach einem abgekarteten Spiel. Obwohl sich die Sanktionen gegen ihn angeblich auf »jahrelange Ermittlungen« stützen, erfolgte ihre Verhängung am Montag unmittelbar vor der Vereidigung des neuen Ministers Steven T. Mnuchin. Reiner Zufall? Ebenso wie die Tatsache, dass die Aktion mit Venezuela den engsten Verbündeten Russlands (und Chinas) in Südamerika getroffen hat?

Auffällig ist: Keine Agentur und kaum ein Fernsehsender hinterfragte die Abhörattacke auf die russische Botschaft durch das FBI. Alle große Medien stimmten in die Vorverurteilung des venezolanischen Vizepräsidenten ein. Und obwohl Trumps Vizepräsident Michael »Mike« Pence von Anfang an erklärt hatte, dass die von Washington gegen Moskau verhängten Sanktionen kein Thema bei den Telefonaten gewesen seien, richtete sich die Kampagne nicht gegen ihn, sondern gegen den Sicherheitsberater.

Es ist ein bekanntes Muster: Der Staatschef wird als »undemokratisch«, »verrückt« und/oder »korrupt« dargestellt. Proteste werden lobend begleitet oder gar organisiert. Ist die Zeit reif und genügend Stimmung gemacht, wird er aus dem Amt gedrängt und durch jemanden ersetzt, den man besser kontrollieren kann. Zum Beispiel durch »Mike« Pence. Der evangelikale Reaktionär hat zwar ein eher noch menschenverachtenderes Weltbild als sein Chef – aber seine Umgangsformen sind mit dem Establishment kompatibler. Und er hat was gegen Russland.

Erschienen am 15. Februar 2017 in der Tageszeitung junge Welt