Putsch in Brasilien: Ganze Konterrevolution

In Brasilien ist am Donnerstag der dritte Putsch in Lateinamerika innerhalb der vergangenen zehn Jahre angezettelt worden. Mit dem Sturz von Präsidentin Dilma Rousseff haben die Abgeordneten und Senatoren des größten Landes in Südamerika kopiert, was ihnen ihre Kollegen in Honduras 2009 und in Paraguay 2012 vorgemacht haben.

Seit die Linke Lateinamerikas – von wenigen Ausnahme wie noch in Kolumbien abgesehen – nicht mehr zu den Waffen greift, haben sich die Musterdemokraten in den Medienkonzernen und bürgerlichen Parteien darauf verlegt, nicht mehr Panzer rollen zu lassen und Söldner in Marsch zu setzen, um fortschrittliche Regierungen zu stürzen. Man erfüllt das parlamentarische Protokoll – doch das Ziel ist dasselbe geblieben: gewählte Regierungen aus dem Amt zu drängen. Es ist das gleiche Muster wie in Venezuela. Dort allerdings ist die Lage für die Putschisten komplizierter, weil sie nur einen Teil der Staatsgewalt – die Legislative – kontrollieren, bislang jedoch keinen Zugriff auf Richter und Generäle haben. Deshalb setzt man dort auf eine Doppelstrategie aus Legalem – die Unterschriftensammlung für das in der Verfassung vorgesehene Amtsenthebungsreferendum gegen Maduro – und Illegalem. Die für eine ideologische und propagandistische Absicherung dieses Vorgehens notwendige Medienmacht hat auch Venezuelas Bourgeoisie.

International können sich die Rechten auf die politische und propagandistische Unterstützung der lateinamerikanischen Medienkonzerne, der USA und der EU verlassen. Die Manipulation beginnt mit dem Weglassen von Fakten. So wurde am Mittwoch abend von den Agenturen gemeldet, dass in Caracas die Nationalgarde eine Demonstration der Opposition aufgelöst habe. Es fehlte der Hinweis, dass der Marsch, der direkt zum Nationalen Wahlrat führen sollte, nicht angemeldet war. Im Falle Brasiliens wird fast immer unterschlagen, dass sich die Vorwürfe gegen Rousseff auf ihre letzte und nicht auf ihre gegenwärtige Amtszeit beziehen – das Instrument des Impeachment soll aber die Absetzung von Politikern ermöglichen, die ihr Amt aktuell missbrauchen.

Die internationale Linke hat bislang kein Mittel gegen die relativ neue Strategie der Rechten gefunden. Zu lange versuchte Rousseff in Brasilien, aber auch Nicolás Maduro in Venezuela, den Rechten durch Kompromissangebote und durch einen Verzicht auf radikale Maßnahmen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Doch das hinter den Parteien der Rechten und den Massenmedien stehende Großkapital will keine auch nur potentielle Bedrohung seiner wirtschaftlichen, sozialen und politischen Macht riskieren und antwortet auf die »halbe Revolution mit einer ganzen Konterrevolution«, wie es Marx schon 1848 formulierte. Er war damals jedoch optimistischer als wir heute: »Wir können noch eine harte Schule durchmachen, aber es ist die Vorschule der – ganzen Revolution.«

Erschienen am 13. Mai 2016 in der Tageszeitung junge Welt