Prügel von der Polizei

Es war eine bunte, fröhliche Menge von Menschen jeden Alters, die sich am Samstag mittag am Bahnhof von Garmisch-Partenkirchen zur Großdemonstration gegen den G-7-Gipfel auf Schloss Elmau sammelte. Neugierig beäugt von Garmischer Bürgern am Straßenrand, die sich das auf sie wie ein Trachtenumzug wirkende Spektakel nicht entgehen lassen wollten, zogen nach Veranstalterangaben 7.500 Menschen durch die Straßen. Friedensaktivisten unter ihren Regenbogenbannern liefen vor einem Block von DKP und SDAJ mit roten Fahnen. Lesben und Schwule forderten Gleichberechtigung, während Mitglieder der Linkspartei hinter einem Lautsprecherwagen gingen, von dem aus die Überwindung des Kapitalismus gefordert wurde. Anarchisten zeigten ihre schwarze Fahne mit dem weißen »A«, Umweltschützer riefen zu verstärkten Anstrengungen im Klimaschutz auf. Gegen TTIP und ähnliche Freihandelsabkommen wandten sich andere Teilnehmer. Den Abschluss des langen Demonstrationszuges bildete ein Block tanzender Jugendlicher, die Plakate mit der Aufschrift »Und wo bleibt die Liebe« schwenkten. Eine hochschwangere Frau hatte ihren nackten Bauch mit dem Friedenssymbol bemalt und ging am Rande der Demonstration mit.

 

Doch die Polizei provozierte von Beginn an. Schon um den Bahnhof herum konnten sich Passanten nicht frei bewegen: Einer Gruppe von jungen Menschen wurde untersagt, ihre Fahrräder in einer Seitengasse abzustellen, Demonstranten wurden nicht mehr in das Bahnhofsgebäude gelassen. Auch diejenigen, die aus München zunächst ohne Probleme mit sieben Bussen angekommen waren, wurden von der Polizei aufgehalten, als sie mit einem Fronttransparent von ihrem Ankunftsort zum Bahnhof laufen wollten. Erst nachdem sie das Transparent weggepackt hatten, wurde ihnen ein Weiterlaufen gestattet. »Jetzt noch keinen Krieg anfangen«, sollen Polizisten nach Angaben von Ohrenzeugen zueinander gesagt haben.

Die Stimmung unter den Demonstranten war trotzdem lange fröhlich. Doch während einer Zwischenkundgebung begannen die Beamten unvermittelt, auf die gewaltfreie Demonstration einzuprügeln und Pfefferspray einzusetzen. Teilnehmer und Journalisten wurden von Beamten zusammengeschlagen. Angeblich sollen Demonstranten Polizisten mit Feuerlöschern angegriffen haben, hieß es von der Einsatzleitung über Twitter. Beweise dafür legten die Beamten nicht vor – und glaubwürdig ist eine solche Behauptung angesichts der massiven Präsenz der Uniformierten im Vorfeld auch nicht.

Unmittelbar vor der Eskalation durch den schwarzen Block der Sicherheitskräfte hatten Schauspieler während einer satirischen Inszenierung einer Pressekonferenz der G 7 Bundeskanzlerin Angela Merkel die Worte in den Mund gelegt: »Ich habe Angst, dass die Proteste friedlich und hoffnungsvoll verlaufen. Wie sollen wir denn dann den Polizeieinsatz rechtfertigen?« Das schien für die Beamten ein Signal zu sein: Ohne ersichtlichen Grund prügelten sie Teilnehmer an der Spitze des Demonstrationszuges. Die anwesenden Redakteurinnen der jW konnten weder Flaschenwürfe noch versprühtes Feuerlöschpulver ausmachen, die von der Polizei als Grund für den Einsatz von Pfefferspray angeführt wurden. Lediglich einige Rauchtöpfe wurden gezündet. Vom Lautsprecherwagen wurde immer wieder zur Ruhe aufgerufen: »Setzt euch bitte hin.« Mehrfach wurde deutlich betont: »Von uns geht keine Eskalation aus!« Die Polizei dagegen griff auch einen völlig ruhig stehenden Block an und attackierte massiv mit Reizgas. Wiederholt flohen Menschen mit tränenüberströmtem Gesicht aus der Demonstration. Eine Frau musste bewusstlos weggetragen werden. Wie ein Reporter der Wochenzeitung Unsere Zeit berichtete, wollte eine blutende Demonstrantin den Zug verlassen, wurde jedoch von Polizisten zurückgestoßen. Ein durch Tränengas Verletzter hatte offenbar mehr Glück: Anwohner versorgten ihn und ließen ihn sich mit einem Glas Bier im Vorgarten ausruhen. Wie das Bündnis »Stop G 7 Elmau« am Samstag abend mitteilte, wurden mindestens acht Menschen festgenommen.

Als sich die Situation etwas beruhigt hatte, verständigten sich die Demonstranten darauf, umzukehren und zum Bahnhof zurückzulaufen. Die Polizei begleitete den Zug weiter eng im Spalier und prügelte mehrfach auf Teilnehmer ein. Die Provokationen der Beamten stießen auch unter den Bürgern von Garmisch-Partenkirchen auf Widerspruch.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte am Samstag abend gegenüber junge Welt, es habe bei der Demonstration keine größeren Zwischenfälle gegeben – »dadurch, dass wir überall die Stärkeren waren«. Dank der massiven Polizeipräsenz hätten sich auch die Demonstranten zurückgehalten, mit dem Einsatzkonzept sei eine »abschreckende Wirkung« erzielt worden.

Verfasst gemeinsam mit Lena Kreymann und Claudia Wangerin
Erschienen am 8. Juni 2015 in der Tageszeitung junge Welt