Provokation in Havanna

Mit einer scharfen Erklärung hat die kubanische Regierung auf ein Treffen hochrangiger Vertreter der US-Administration mit Angehörigen kubanischer Untergrundgruppen in Havanna reagiert. Am Donnerstag hatte sich die für die Region zuständige US-Vizeaußenministerin Roberta Jacobson, die zu offiziellen Gesprächen über ein Migrationsabkommen zwischen beiden Ländern nach Kuba gereist war, mit Vertretern antikommunistischer Gruppen in Havanna getroffen. Diese werden von der kubanischen Regierung als Söldner und Terroristen betrachtet. »Vor der Durchführung der Migrationsgespräche hat das (kubanische) Außenministerium den Repräsentanten der US-Regierung klar seine Ablehnung jedes Versuchs übermittelt, diesen offiziellen Besuch in Kuba auszunutzen, um beleidigende und respektlose Aktivitäten gegen unser Land durchzuführen«, heißt es in dem Kommuniqué, das von der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina verbreitet wurde.

Die Gespräche über Ausreisebedingungen für Kubaner, die in die USA gehen wollen, waren erst vor rund einem Jahr in Gang gekommen, nachdem zuvor ein halbes Jahrzehnt Funkstille zwischen Washington und Havanna geherrscht hatte. Kuba wirft den USA vor, illegale Ausreisen aus Kuba zu fördern, indem es weniger Einreisevisa für die Vereinigten Staaten ausstellt, als ursprünglich vereinbart wurde. Kubaner genießen als einzige Lateinamerikaner in den USA das Privileg, daß sie praktisch automatisch eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, wenn sie – egal auf welchem Weg – das Staatsgebiet erreichen. Nur wenn die US-Küstenwache die Migranten noch auf dem Meer aufgreift, werden sie nach Kuba zurückgebracht, auch wenn sie bereits US-Hoheitsgewässer erreicht haben. In den nordamerikanischen Medien wird diese Regelung mit »trockener Fuß oder nasser Fuß« umschrieben.

Unmittelbar nach den jüngsten Gesprächen hatte die kubanische Regierung noch eine positive Bilanz gezogen. Die Unterredung sei in »respektvoller Atmosphäre« verlaufen, heißt es in einer Erklärung des kubanischen Vizaußenministers Dagoberto Rodríguez Barrera. Positiv sei zu vermerken gewesen, daß im vergangenen Jahr die Zahl der »risikoreichen Ausreisen« von Kuba in die USA »deutlich zurückgegangen« sei, was auf die gemeinsamen Anstrengungen beider Seiten zurückzuführen ist. Allerdings dürfte eine umfassende Regelung der Migration zwischen beiden Seiten erst möglich sein, wenn die US-Administration die illegale Einreisen fördernden Gesetze aufhebt.

Unterdessen wird in Kuba sehr aufmerksam der laufende Prozeß gegen den Terroristen Luis Posada Carriles verfolgt, der im texanischen El Paso wegen Verstoßes gegen die US-Einreisebestimmungen angeklagt ist. Zwar ist dessen Verwicklung in mehrere Terroranschläge gegen kubanische Einrichtungen nicht Gegenstand des Verfahrens, allerdings wirft ihm die Anklagebehörde vor, bei seiner Einreise in die USA 2005 die Behörden belogen zu haben, als er seine Beteiligung an den Attentaten, bei denen zum Beispiel 1997 in Havanna ein italienischer Tourist getötet wurde, leugnete. Obwohl Posada seine Beteiligung gegenüber nordamerikanischen Journalisten eingeräumt hatte, versucht seine Verteidigung in El Paso, diese abzustreiten. Posada sei nur politisch verantwortlich, nicht jedoch direkt an den Vorbereitungen und der Durchführung der Anschläge beteiligt gewesen. Anderslautende Aussagen wie die des in Kuba jüngst zu 30 Jahren Haft verurteilten Terroristen Francisco Chávez Abarca seien nicht glaubwürdig, gefälscht oder von kubanischer Seite produziert worden. Diese Darstellung wies Richterin Kathleen Cardone jedoch bereits zurück, weil Posadas Verteidigung dafür keine Beweise vorlegen konnte.

Erschienen am 15. Januar 2011 in der Tageszeitung junge Welt und am 19. Januar 2011 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek