Propagandakrieg im Äther

Der Rundfunksender Radio Mambí hat sich nach den Freiheitskämpfern benannt, die Ende des 19. Jahrhunderts für die Unabhängigkeit Kubas von der spanischen Kolonialherrschaft kämpften. Doch was an Sprüchen auf Mittelwelle 710 kHz über den Sender geht, klingt nun gar nicht kubanisch. »Obama ist ein unheilbarer Linker, der sich für die nordamerikanische Macht schämt und vielfach die Dummheit begangen hat, die Vorzüge seines eigenen Landes zu leugnen, um den eingeschworenen Feinden der Vereinigten Staaten zu gefallen«, kommentierte der Sender am vergangenen Montag. Allerdings steht der Sender auch nicht in Santiago de Cuba, wo ein gleichnamiger Sender sein Programm ausstrahlt, sondern im US-amerikanischen Miami. Offiziell richtet sich das Programm an die spanischsprachige Bevölkerung im Bundesstaat Florida, aber tatsächlich kümmert man sich mehr um Ereignisse in Kuba als um die Innenpolitik der eigenen Region.

Seit dem Sieg der Kubanischen Revolution 1959 wurde immer wieder versucht, die Bevölkerung der Insel mit Radioprogrammen gegen den eingeschlagenen Kurs ihres Landes aufzustacheln. Bekannt wurde dabei vor allem Radio Swan, das von einer kleinen Karibikinsel aus im Äther die Invasion in der Schweinebucht 1961 vorbereitete und begleitete. Immer wieder störten Stationen aus den USA auch den Funkverkehr der kubanischen Behörden und behinderten so die Rettungsarbeiten bei Naturkatastrophen und sorgten durch Falschmeldungen für Verwirrung. Noch heute strahlen einer 2007 von Kuba veröffentlichten Studie zufolge 14 von konterrevolutionären Gruppen betriebene Sender Programme gegen Kuba aus. Hinzu kommt das von der US-Regierung betriebene Radio Martí mit dem Fernsehableger TV Martí. Wöchentlich kommen so dieser Statistik zufolge 2239 Sendestunden zusammen. Manche Gruppen mieten sich auch Sendezeit bei kommerziellen Radiostationen. Über Radio Miami International (WRMI) ist so zum Beispiel ein Zusammenschluß von Veteranen der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht zu hören, der sich heute als »Menschenrechts- und Demokratiezentrum Brigade 2506« bezeichnet. Auch »Radio Freiheit« oder das »Revolutionäre Demokratische Forum Kubas« gehören zu den Kunden von WRMI, und zunehmend kommen auch Contras aus Südamerika hinzu, die Sendungen nach Venezuela und Bolivien ausstrahlen. Damit es aber für Hörer überhaupt einen Anreiz gibt, den Kanal zu suchen, komplettieren das Portfolio auch »seriöse« Kunden wie Radio Prag.

Radio Martí wurde 1985 unter der Reagan-Administration gestartet und in den folgenden Jahren stetig ausgebaut. Vor allem vor dem Hintergrund des Zusammenbruchs der sozialistischen Staaten Osteuropas hofften Washington und die antikommunistischen Gruppen in Miami auf einen unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch des »Castro-Regimes« und verstärkten die Medienpropaganda gegen die Insel weiter. 1990 kam der Fernsehkanal TV Martí hinzu, dem seither der Ruf vorauseilt, daß in Miami mehr Leute an der Produktion der Sendungen beteiligt sind, als ihn in Kuba sehen. Tatsächlich wird der Kanal praktisch seit Sendebeginn von den kubanischen Behörden effektiv gestört. Havanna verteidigt dies damit, daß der Betreib des Senders einen klaren Verstoß gegen internationales Recht darstelle, weil TV Martí über Kanäle ausgestrahlt wird, die in den internationalen Wellenplänen für Kuba reserviert sind. »In unserem Land ist es in verschiedenen Gebieten und zu verschiedenen Zeiten regelmäßig oder gelegentlich möglich, mehr als 100 Rundfunkstationen aus den USA, Zentralamerika, Mexiko, den Antillen sowie den großen Sendern aus aller Welt zu empfangen, die auf Kurzwelle internationale Programme verbreiten«, kommentierte dies Carlos Martínez Albuerne, ein hoher Beamter des kubanischen Kommunikationsministeriums. »Kuba ist nie gegen diese legal arbeitenden Stationen vorgegangen und wird dies auch nicht tun.«

Doch auch in den USA selbst stoßen die Propagandasender der eigenen Regierung auf Ablehnung. Im vergangenen Jahr ging beispielsweise der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten des US-Senats hart mit Radio und TV Martí ins Gericht, die den nordamerikanischen Steuerzahler in den vergangenen 25 Jahren offiziellen Angaben zufolge mehr als eine halbe Milliarde US-Dollar gekostet haben. »Radio und TV Martí ist es nicht gelungen, erkennbare Spuren in der kubanischen Gesellschaft zu hinterlassen oder die kubanische Regierung zu beeinflussen«, heißt es in dem Dokument, das von der Administration in Washington bislang ignoriert wird. Die Einschaltquoten für das 24stündige Radioprogramm schätzten die US-Parlamentarier auf unter zwei Prozent, bei dem Fernsehkanal seien diese noch geringer. Über die Inhalte der beiden Sender heißt es, sie würden »substanzlose Berichte aus Kuba als seriöse Nachrichten verbreiten«. Hinzu kämen Korruption und etternwirtschaft bei dem Sender, dessen Zentrale in Miami liegt, während alle anderen US-Auslandsprogramme von Washington aus betrieben werden.

Erschienen am 13. Mai 2011 in der Tageszeitung junge Welt