Papst aus Südamerika: Chávez, Fußball, Sozialismus

Während viele Linke in Lateinamerika skeptisch auf den neuen Papst schauen, kommentierte Venezuelas geschäftsführender Präsident Nicolás Maduro die Entscheidung der Kardinäle während einer vom staatlichen Fernsehen VTV live übertragenen Ansprache zur Eröffnung der Internationalen Buchmesse Venezuela 2013 (Filven 2013) am Mittwoch abend (Ortszeit) in Caracas mit einem Scherz: »Zum ersten Mal in der Geschichte ist ein Süd­amerikaner zum Papst gewählt worden, ein Argentinier. Kardinal Jorge Mario Bergoglio ist Papst Nr. 266, und die Frage war, ob ein Afrikaner oder ein Südamerikaner Papst werden sollte. Wir wissen ja, daß unser Comandante sich auf diese Höhen begeben hat und nun Angesicht zu Angesicht bei Christus sitzt. Und irgendwas muß ja passiert sein, damit sie gerade jetzt zum ersten Maal einen südamerikanischen Papst wählen. Im Himmel gibt es anscheinend eine neue Hand, so daß Christus sagte, daß nun die Stunde Süd­amerikas da sei. Als nächstes wird dann sicherlich im Himmel eine verfassunggebende Versammlung einberufen, um die Kirche auf der Erde neu zu gründen, denn die Kirche muß eine Kirche des Volkes sein.«

 

Seinen Zuhörern war der Scherz klar, sie lachten und klatschten fröhlich. Deutschen Korrespondenten fällt das offenbar schwerer. Die Nachrichtenagentur dpa jedenfalls meldete den gut eine Minute langen Passus aus der Rede Maduros, als wäre dieser ganz von Sinnen: »Venezuelas Interimspräsident Nicolás Maduro ist sich sicher, daß der vor über einer Woche gestorbene venezolanische Staatschef Hugo Chávez bei der Papst-Wahl seine Hände im Spiel hatte.«

Argentiniens Sportlegende Diego Armando Maradona – für den sie in dem südamerikanischen Land eine eigene Kirche gegründet haben – kommentierte die Wahl in Rom: »Der Fußballgott ist Argentinier, und jetzt auch der Papst.« Er hoffe darauf, von seinem Landsmann empfangen zu werden, wenn er wieder einmal in Italien sei, sagte die inzwischen in Dubai als Berater für Sportfirmen arbeitende frühere »Hand Gottes«.

Ecuadors Präsident Rafael Correa bejubelte die Entscheidung von Rom mit einer Nachricht über den Internetdienst Twitter: »Wir haben einen lateinamerikanischen Papst! Wir erleben historische Augenblicke ohne Beispiel! Es lebe Franziskus!« Damit stieß er bei seinen Anhängern im Internet auf wenig Gegenliebe. Diese erinnerten daran, daß der polnische Papst Johannes Paul II. dazu beigetragen habe, den Sozialismus in Osteuropa zu zerstören. Sie sehen in Bergoglio nun den Versuch des Klerus, dasselbe in Lateinamerika zu versuchen. Andere verweisen auf die Verbindungen des neuen Pontifex zur argentinischen Militärdiktatur (1976–1983)

Erschienen am 15. März 2013 in der Tageszeitung junge Welt