Panik in Miami

Wut bei der extremen Rechten in Miami, Entsetzen bei den Konterrevolutionären auf Kuba: Die sich abzeichnende Normalisierung der Beziehungen zwischen Havanna und Washington hat die bislang von den nordamerikanischen Geheimdiensten gehätschelten Contras in Panik und Verwirrung versetzt. Über den US-Propagandasender Radio/TV Martí zeigten sich am Freitag die als »Vertreter der unabhängigen kubanischen Zivilgesellschaft« vorgestellten Chefs der kleinen, untereinander zerstrittenen und real einflusslosen Oppositionsgruppen entsetzt darüber, dass Obama »ohne jede Gegenleistung einer Diktatur nachgegeben« habe, wie es der »Dissident« Félix Navarro formulierte. Gefragt, wie sie sich erkläre, dass Tausende Kubaner auf den Straßen die Rückkehr der »Cuban Five« in ihre Heimat gefeiert haben, behauptete die Antikommunistin Ailer González, dass die Kubaner allesamt keine politische Bildung hätten, sondern »desinformiert und manipuliert« seien.

Real fürchten die bislang vom Nachbarn im Norden finanziell großzügig ausgestatteten »Aktivisten« um ihre Privilegien. In Miami geht außerdem die Angst um, die US-Behörden könnten straffällig gewordene oder aus anderen Gründen unerwünschte Exilkubaner künftig in ihre Heimat abschieben. Zudem haben sie in ihrem antikommunistischen Eifer nun noch mehr als zuvor ein Glaubwürdigkeitsproblem: Indirekt hat Obama in seiner Ansprache am Mittwoch eingeräumt, dass zumindest ein Teil der angeblichen »Oppositionellen« US-Agenten sind – wie es Havanna immer schon erklärt hat. Die New York Times nannte am Freitag auf ihrer Titelseite den Namen des zweiten nordamerikanischen Spions, der neben Alan Gross in die USA ausgeflogen wurde. Demnach handelt es sich um Rolando Sarraff Trujillo. Dieser 1994 aufgeflogene Doppelagent soll die Codes der Funkverbindungen zwischen Havanna und kubanischen Agenten in den USA an die CIA verraten haben. Dafür wurde er zu 25 Jahren Haft verurteilt und saß bis vor wenigen Tagen im Gefängnis. Den rechten Gruppen in den USA galt er als »politischer Gefangener«, der dafür bestraft werde, dass er »seine Meinung gesagt« habe. Obama nannte ihn in seiner Ansprache dagegen »einen der wichtigsten Geheimdienstagenten, die die USA jemals in Kuba gehabt haben«.

Der US-Präsident will offenbar mit der Normalisierung der Beziehungen ernstmachen und die seit mehr als einem halben Jahrhundert aufrechterhaltene Blockade mit Dekreten soweit beenden, wie er es an dem von den Republikanern dominierten Kongress vorbei tun kann. Die New York Times – die in den vergangenen Wochen mit einer Reihe von Artikeln den Boden für Obamas Auftritt vom Mittwoch bereitet hatte – zitierte am Freitag John Kavulich von der Wirtschaftsvereinigung »U.S.-Cuba Trade and Economic Council« mit den Worten, das »Embargo« sei ein »Container«, dessen Inhalt verändert werden könne. Obama sage nun: »Ich werde eine Hülle bestehen lassen – aber sie wird eine wie ein Osterei sein: leer.« Durch die Anfang Januar beginnenden Reformen werde das »Embargo mehr Löcher als ein Schweizer Käse« haben, formulierte es der auf die nordamerikanisch-kubanischen Handelsbeziehungen spezialisierte Rechtsanwalt Robert L. Muse. Am Anfang stehen der New York Times zufolge die Streichung Kubas von der Liste der »den Terrorismus fördernden Staaten« sowie eine Vervierfachung der Exilkubanern im Quartal erlaubten Geldüberweisungen auf die Insel von 500 auf 2.000 Dollar. Es soll direkte Bankbeziehungen geben, und Handelsbeschränkungen sollen kippen.

Erschienen am 20. Dezember 2014 in der Tageszeitung junge Welt