Oslo blamiert Atommächte

Der Friedensnobelpreis 2017 geht an die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN). Mit der Bekanntgabe dieser Entscheidung hat das Komitee am Freitag in Oslo in diesem Jahr mal eine seriöse Kandidatin gekürt. Nicht unwichtig für die Arbeit der Aktivisten: Der Preis ist mit acht Millionen Schwedischen Kronen (rund 840.000 Euro) dotiert und bringt in einer Phase angeheizter Konflikte den Kriegsgegnern zusätzliche Ressourcen.

»Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie dem Verbotsvertrag von Atomwaffen beitritt«, formulierte ICAN-Vertreter Sascha Hach am Freitag in Berlin bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz das wichtigste aktuelle Anliegen seiner Organisation. Er nutzte die Gelegenheit auch, um auf die Rede von US-Präsident und Multimilliardär Donald Trump hinzuweisen, der vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 19. September mit der Androhung von Atomschlägen gegen Nordkorea und möglicherweise auch den Iran weltweit für Entsetzen gesorgt hatte. Am Donnerstag abend (Ortszeit) hatte Trump nach einem Meeting mit seinem Generalstab vor heimischen Journalisten neuerlich von einem »kommenden Sturm« gesprochen und mit dem »weltbesten Militär« geprahlt.

Zum Konflikt der USA mit Nordkorea und dessen Staatschef Kim Jong Un ergänzte ICAN-Vorstandschefin Xanthe Hall, dass man gar nicht wisse, »wie viele Atomwaffen er überhaupt hat, im Vergleich zu den USA«. Sie stelle den psychischen Zustand beider Regenten in Frage. Zudem sei der Versuch haltlos, »in gute und schlechte Atomwaffenstaaten« zu unterscheiden.

»Es ist eine Rebellion der Schwachen gegen die Starken«, führte Hach zur Arbeit der Atomwaffengegner weiter aus. Die Bundesrepublik Deutschland habe sich dabei zuletzt von einem »Motor für militärische Zurückhaltung« zu einem weiteren »Akteur« entwickelt. Die BRD sei erwiesenermaßen »nicht nur passiver Teil der nuklearen Teilhabe«, sondern aktiv am Boykott internationaler Verträge zur Eindämmung und Abschaffung der nuklearen Bewaffnung beteiligt, kritisierte der ICAN-Aktivist.

Im Juli hatten in den Vereinten Nationen 122 Staaten einen Vertrag zum Verbot von Atomwaffen angenommen. Er verbietet nicht nur den Einsatz von Atomwaffen, sondern auch die Androhung. Darüber hinaus werden Entwicklung, Herstellung, Erwerb, Besitz, Lagerung und Erprobung sowie der Transfer und die Stationierung dieser Waffen untersagt. Nach Inkrafttreten des Vertrages sind nach Ansicht der Friedensaktivisten unter anderem die im rheinland-pfälzischen Büchel stationierten US-Atomwaffen nicht mehr mit dem Völkerrecht vereinbar. Die Bundesregierung hat sich bislang jedoch auf die Seite der Atommächte gestellt und lehnt das Abkommen ab. Die diesjährige Entscheidung des Nobelpreiskomitees dürfte den Druck auf Berlin erhöhen, diese Haltung zu überdenken.

Der Friedensnobelpreis wird, anders als andere Nobelpreise, von einer fünfköpfigen Gruppe des norwegischen Parlaments vergeben und im Dezember offiziell verliehen. Er soll nach dem Willen des Stifters Alfred Nobel jährlich an jene Person (oder Gruppe) gehen, die »am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt« hat. Die ICAN wurde 2007 von der internationalen Friedensorganisation »Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges« (IPPNW) gegründet, die 1985 selbst mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden war.

Verfasst zusammen mit Anselm Lenz

Erschienen am 7. Oktober 2017 in der Tageszeitung junge Welt