Laura Labañino. Foto: Sabine Peters/jW

»Obama muß nur ein Stück Papier unterschreiben«

Laura Labañino. Foto: Sabine Peters/jWGespräch mit Laura Labañino. Sie lebt in Havanna und studiert an der Universität internationale Beziehungen. Sie ist die Tochter des seit 1998 in den USA inhaftierten Ramón Labañino. Als ihr Vater verhaftet wurde, war sie sechs Jahre alt. Wenn er 2024 entlassen wird, ist sie 32.

Wie lebt man in Kuba als Tochter eines Nationalhelden?

Diese Frage ist immer schwierig zu beantworten. Die ganze Geschichte begann, als ich sechs Jahre alt war, ich bin also praktisch mein ganzes Leben lang die »Tochter eines Helden«. Was ich hervorheben muß, ist die Herzlichkeit und das Mitgefühl unseres Volkes. Ich werde immer wieder gefragt, wie es meinem Vater geht. Vor einiger Zeit rief er mich gerade an, als ich mit meinen Kommilitoninnen zusammen gelernt habe. Sie haben sich über den Anruf gefreut, als wäre es ihr eigener Vater gewesen.

 

Wie gelingt es dir und deiner Familie, Kontakt zu deinem Vater zu halten?

Zum einen gibt es die Möglichkeit, E-Mails zu schicken. Mein Vater hat Zugang zu einem Computer, und wir dürfen zwei bis drei E-Mails am Tag austauschen. Ihnen dürfen aber keine Anhänge, keine Bilder beigefügt werden. Sie dürfen nur Text mit einer Höchstlänge von 350 Zeichen haben – man kann also praktisch nur ein Telegramm schreiben. (Anm. d. Red.: Labañinos Antwort hat bis hier einen Umfang von 336 Zeichen). Die Behörden lesen den Text und leiten ihn weiter an das Postfach des Gefangenen.

Das beste ist natürlich, ihn direkt zu besuchen, und unter Obama ist das etwas einfacher geworden. Wir dürfen ihn nun zweimal im Jahr besuchen, unter Bush war nur einmal zugelassen.

Diese Besuche finden immer unter sehr komplizierten Bedingungen statt. So kann es passieren, daß du an der Grenzkontrolle aufgehalten wirst, bis du deinen Anschlußflug verpaßt hast. Oder es gibt Probleme im Gefängnis. Auch wenn das nichts mit meinem Vater zu tun hat, lassen sie uns ihn dann nicht besuchen. Oder es herrschen ungünstige Wetterbedingungen und sie ordnen an, daß kein Gefangener seine Zelle verlassen darf. Dann dürfen auch keine Angehörigen das Gefängnis betreten.

Wie sind die Perspektiven für eine Freilassung deines Vaters?

Planmäßig soll er 2024 rauskommen. Ich wäre dann 32 Jahre alt, er 61 Jahre. Wenn es so weitergeht, müßte er dann im Rollstuhl das Gefängnis verlassen. Obwohl er geistig der selbe junge Mann geblieben ist, ist er inzwischen in einem Alter, in dem Krankheiten auftreten. Er hat sehr ernste Probleme mit dem Knie und kann kaum noch gehen. Doch im Gefängnis werden diese Schmerzen nur mit Aspirin behandelt.

Wie schätzt du die Chance ein, ihn vor diesem Zeitpunkt freizubekommen?

Obama muß nur ein Stück Papier unterschreiben, und schon ist nicht nur mein Vater frei, sondern auch die anderen vier. Nur Obama kann das tun, einzig und allein Obama.

Am Donnerstag beginnen in Washington die »fünf Tage für die fünf«. Welche Bedeutung haben solche Aktionen für euch?

Diese Aktivitäten sind fundamental. Wir erreichen so ganz direkt Abgeordnete des US-Kongresses. Und so sehr sie auch versuchen, die Wahrheit über die fünf zu verschweigen, immer sickert doch etwas in der Presse, im Radio, im Fernsehen durch. Diese jährliche Veranstaltung ist also sehr wichtig. Für die fünf ist das die wichtigste Aktivität des Jahres.

Erschienen am 30. Mai 2013 in der Tageszeitung junge Welt