junge Welt, 21. September 2013

Obama bricht Recht

junge Welt, 21. September 2013Erneute Eskalation der Beziehungen zwischen Washington und Lateinamerika: Die US-Behörden haben Venezuelas Präsident Nicolás Maduro die Überfluggenehmigung durch den Luftraum ihrer Kolonie Puerto Rico verweigert. Das erklärte der Außenminister des südamerikanischen Landes, Elías Jaua, am Donnerstag abend (Ortszeit) nach einem Treffen mit seiner südafrikanischen Amtskollegin Maite Nkoana-Mashabane in Caracas. »Wir prangern dies als eine weitere Aggression des nordamerikanischen Imperialismus gegen die Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela an«, sagte Jaua. »Niemand darf den Überflug eines Flugzeugs verweigern, das den Präsidenten der Republik bei einer internationalen Staatsreise transportiert. Es gibt kein Argument dafür, das wir gelten lassen könnten.«

 

Maduro plant für den heutigen Samstag eine Reise nach China, um die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen mit der Volksrepublik auszubauen. Der Staatschef kommentierte das Verhalten der USA als »schweren Fehler« und schloß diplomatische Maßnahmen nicht aus. Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten sind schon seit Jahren angespannt, da Washington aktiv die rechte Opposition in Venezuela unterstützt und in der Vergangenheit mehrfach in Umsturzversuche verwickelt war. Auf eine Anfrage des Geschäftsträgers der venezolanischen Botschaft in Washington, Calixto Ortega, weshalb dem Präsidenten der Überflug nicht gewährt worden sei, gab es Jaua zufolge bislang keine Antwort.

Unterstützung für Maduro kam aus La Paz. Boliviens Präsident Evo Morales erklärte, die Staaten Lateinamerikas dürften nicht akzeptieren, daß die USA ihre Politik der Einschüchterung und der Verhinderung von Präsidentenflügen fortsetzten. Seine Regierung werde US-Präsident Barack Obama wegen »Verbrechen gegen die Menschlichkeit« anklagen, kündigte Morales an. Ein solches Verfahren vor internationalen Gerichten sei der beste Weg, die Rechte der souveränen Staaten zu verteidigen. »Wir werden künftig diese Art von Einschüchterungen und kriminellen Übergriffen weder akzeptieren noch erlauben«, betonte Morales bei einer Ansprache auf einem Militärstützpunkt in Santa Cruz. Obama sei »ein Verbrecher, der das Leben und das Völkerrecht attackiert«. Morales forderte zudem Sondersitzungen der Union Südamerikanischer Nationen (­UNASUR) und der Lateinamerikanischen und Karibischen Staatengemeinschaft (­CELAC). Alle Staaten der Region sollten ihre Botschafter aus den USA abberufen. Auch einen Boykott der in der kommenden Woche beginnenden UN-Vollversammlung in New York durch die Länder der Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA) schloß Morales nicht aus.

Dem bolivianischen Präsidenten war Anfang Juli von mehreren europäischen Ländern die Überfluggenehmigung verweigert worden, so daß er aus Moskau kommend einen unfreiwilligen Zwischenstopp in Wien einlegen mußte. Ursache für den Eklat war ein Gerücht, der NSA-Aussteiger Edward Snowden habe sich an Bord des Flugzeugs befunden. Morales selbst hatte den Vorfall mit einer Entführung verglichen und den Europäern die Verletzung seiner Immunität vorgeworfen.

Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño solidarisierte sich ebenfalls mit Maduro. »Zuerst Bolivien, jetzt Venezuela – was haben sie vor? Wollen sie die Freundschaft zwischen den Völkern und den Frieden auf der Welt in Gefahr bringen?« zitierte der lateinamerikanische Fernsehsender TeleSur den Diplomaten.

Verfaßt gemeinsam mit Rebecca Renz. Erschienen am 21. September 2013 in der Tageszeitung junge Welt