Neue Man

Honduras schwankt zwischen Hoffnung und Zweifeln. Zunächst hatte am Mittwoch Víctor Meza, einer von drei Vertretern des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya bei den seit vergangener Woche laufenden Verhandlungen mit den Putschisten, eine Einigung beider Seiten in der Frage der Wiedereinsetzung Zelayas in sein Amt verkündet. Mit dieser Einigung, deren Inhalt Meza zunächst nicht bekanntgeben wollte, seien alle strittigen Fragen gelöst worden. Nun müßten nur noch Zelaya und der von den Putschisten als »Übergangspräsident« eingesetzte Roberto Micheletti ihre Zustimmung zu dem Abkommen geben. Wenige Stunden später dementierten jedoch die Putschisten jeden Durchbruch in dieser Frage: »Der Dialog über diesen Punkt war freundlich, und beide Seiten haben wichtige Fortschritte erreicht. Aber bis jetzt gibt es keine abschließende Einigung über diesen Punkt. Presseberichte, die das Gegenteil behaupten, sind falsch«, heißt es in einer offiziellen Erklärung des Regimes. Micheletti selbst erklärte gegenüber Medienvertretern, die Verhandlungspartner hätten sich darauf geeinigt, das Parlament über eine Rückkehr Zelayas in sein Amt abstimmen zu lassen. Das sei jedoch eine juristische Frage, die deshalb vom Obersten Gerichtshof entschieden werden müsse. Da beide Institutionen von den Putschisten kontrolliert werden, gehen Beobachter davon aus, daß Micheletti damit vor allem Zeit gewinnen will. Zelaya hatte in der vergangenen Woche eine Frist gesetzt, die gestern aber ausgelaufen ist. Sollte er bis dahin nicht wieder in sein Amt eingeführt worden sein, könne man die Wahlen nicht wie geplant am 29. November durchführen, hatte Zelaya gewarnt.

Die Sprecherin der Putschistendelegation, Vilma Morales, sprach erneut davon, daß sich die beiden Delegationen in 90 Prozent der Punkte einig geworden seien. Dazu gehörten, wie auch Vertreter der rechtmäßigen Regierung bestätigten, der Verzicht auf die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung. Auch eine strafrechtliche Amnestie für Ereignisse im Zusammenhang mit dem Putsch vom 28. Juni soll es nicht geben. Beide Seiten betonten jedoch auch, daß alle diese Übereinkünfte hinfällig seien, wenn es keine Einigung an dem entscheidenden Punkt der Wiedereinsetzung Zelayas in das Präsidentenamt gibt. Die Verhandlungen sollten am Donnerstag (nach jW-Redaktionsschluß) fortgesetzt werden. Zugleich kündigte die Nationale Widerstandsfront erneute Demonstrationen in Tegucigalpa an, um den Protest gegen die Diktatur der Putschisten fortzusetzen. Sollte Zelaya nicht wieder in sein Amt eingesetzt werden, will die Widerstandsbewegung die Durchführung der Wahlen stören oder sogar verhindern.

Auch international soll der Druck auf die Putschisten verstärkt werden. Wie der Rechtsanwalt und Gewerkschafter Erasto Reyes, einer der führenden Repräsentanten der Widerstandsfront, betonte, setzt die honduranische Opposition ihre Hoffnungen dabei vor allem auf die internationale Gewerkschaftsbewegung. Seit dem Putsch vom 28. Juni seien allein zwölf Gewerkschafter ermordet worden, die zu Hause überfallen oder während der friedlichen Demonstrationen gegen die Putschisten von Polizei und Militär erschossen worden seien. In einem auf der Homepage des Internationalen Gewerkschaftsbundes veröffentlichten Interview erinnerte Reyes daran, daß der aus der Liberalen Partei stammende Zelaya nach seinem Linksschwenk eine Reihe von Maßnahmen im Interesse der Arbeiter ergriffen habe, darunter eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns. Die Gewerkschaften seien vom Präsidenten als Gesprächspartner bei einer Reihe von Fragen anerkannt worden, während die jetzigen Herrscher genau in die entgegengesetzte Richtung gingen und zum Beispiel die Arbeiterrechte einschränken wollen, damit diese den Unternehmern noch mehr ausgeliefert sind. Mit Blick auf die von den Putschisten geplanten Wahlen rief der Gewerkschafter die Kollegen in anderen Ländern auf, dahingehend Druck auf ihre Regierungen auszuüben, damit diese keine Wahlbeobachter entsenden und dadurch die Abstimmung indirekt anerkennen. Wahlen unter der Kontrolle der Putschisten seien eine nachträgliche Legitimierung des Putsches, warnte der Gewerkschafter.

Erschienen am 16. Oktober 2009 in der Tageszeitung junge Welt