Neue Herausforderung

Evo Morales darf sich freuen. Seine Wiederwahl und der erdrutschartige Sieg seiner Bewegung zum Sozialismus (MAS) bei der Abstimmung am Sonntag öffnen dem unter seiner Regierung begonnenen Veränderungsprozeß die notwendige mittelfristige Perspektive, um nachhaltige Ergebnisse zu zeitigen. Es ist auch ein Erfolg für das antiimperialistische Staatenbündnis ALBA, denn ein Großteil der Erfolge, die Bolivien in den vergangenen Jahren erreicht hat, wäre ohne die Arbeit kubanischer Ärzte und Lehrer und ohne die materielle Solidarität Venezuelas kaum denkbar gewesen. Die Integration Lateinamerikas eröffnet somit auch den ärmsten Ländern des Kontinents neue Perspektiven.

Allerdings wurde die Regierung von Evo Morales seit dessen Amtsantritt nie durch Wahlen und Abstimmungen gefährdet. Die größte Gefahr bestand im vergangenen Jahr, als die rechte Opposition in den reichen Departamentos des Landes – dem sogenannten »Halbmond« – zu offenem Terrorismus griff, um die demokratische Revolution Boliviens zu ersticken. Es wäre naiv zu glauben, daß die reaktionären Kräfte im Angesicht ihrer Wahlniederlage nun geknickt nach Hause gehen, um ihre Wunden zu lecken.

In Deutschland preschen Vertreter der Regierungsparteien bereits vor. Der entwicklungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Holger Haibach, und sein Kollege Bernhard Kaster fordern die wiedergewählte sozialistische Regierung Boliviens auf: »Diese Chancen sollten nicht durch die Kooperation mit sozialistischen, undemokratischen Regimen in Südamerika gefährdet werden. Insbesondere der Einfluß Venezuelas und Kubas ist für die Entwicklung Boliviens schädlich.«

Honduras warnt. Präsident Zelaya wurde nicht von den Wählern gestürzt, sondern von den Militärs und der Oligarchie des Landes, die ihre Herrschaft mit blutiger Unterdrückung der Proteste festigen konnten. Die Resolutionen der internationalen Organisationen blieben wirkungslos, während hinter den Kulissen in Washington und andernorts die Anerkennung des Putschregimes vorbereitet wurde.

Auf die Herausforderung des offenen Terrors gegen demokratisch gewählte Regierungen wie auch der militärischen Bedrohung der revolutionären Prozesse Lateinamerikas – zum Beispiel durch die neuen US-Militärbasen in Kolumbien und Panama – sind die Mitglieder der Bolivarischen Allianz ALBA noch nicht ausreichend vorbereitet. Über Erklärungen und Petitionen hinausgehende Maßnahmen gegen die Putschisten in Honduras standen ALBA nicht zur Verfügung. Die Regierungen Boliviens, Ecuadors, Kubas, Nicaraguas, Venezuelas und der Karibikstaaten haben die Mehrheit ihrer Bevölkerungen ganz offensichtlich hinter sich, das konnten sie durch unzählige Wahlen und Volksabstimmungen immer wieder beweisen. Doch wenn es hart auf hart kommt, gilt noch immer die alte Weisheit, daß die politische Macht aus den Gewehrläufen kommt.

Erschienen am 8. Dezember 2009 in der Tageszeitung junge Welt