Neue Einheit

Knapp 180 Jahre nach seinem Tod ist Simón Bolívar zumindest symbolisch wieder mit seiner Gefährtin Manuela Sáenz vereinigt. Aus Anlaß des 199. Jahrestags der Unabhängigkeit Venezuelas überführten der Präsident des südamerikanischen Landes, Hugo Chávez, und sein aus Ecuador angereister Amtskollege Rafael Correa am Montag die »Befreierin des Befreiers« symbolisch in die Ruhmeshalle von Caracas, den Panteón Nacional. Da Sáenz aber nach ihrem Tod 1856 in einem Massengrab verscharrt worden war, enthält der nun feierlich aufgebahrte Sarg lediglich Erde aus der Ruhestätte.

Die 1797 in Quito geborene Manuela Sáenz spielte an der Seite Bolívars eine wichtige Rolle im Kampf um die Unabhängigkeit Südamerikas von der spanischen Kolonialherrschaft. 1828 konnte sie das Leben Bolívars retten, als meuternde Offiziere einen Anschlag auf den Befreier verübten. Sie wird heute von vielen als »erste Feministin Lateinamerikas« verehrt. Auch Ecuadors Präsident Correa würdigte sie bei der offiziellen Zeremonie: »Dies soll eine Ehrung aller Frauen unserer Völker sein, die Tag für Tag mutig arbeiten und die Banner der Freiheit erheben.« In ihrem Integrationsprozeß folgten die Länder Lateinamerikas dem von Manuela Sáenz und Simón Bolívar gegebenen Beispiel von Kampf und Liebe für das große Heimatland.

In seiner Rede vor der anschließenden Festsitzung des venezolanischen Parlaments sprach sich Correa dafür aus, durch den »Sozialismus des 21. Jahrhunderts« Gerechtigkeit zu erreichen: »Wir glauben an die Freiheit, aber ohne Gerechtigkeit ähnelt sie am ehesten der Ausbeutung und der Sklaverei.« Lateinamerika bezeichne sich als der christlichste Kontinent der Welt, »aber wir sind auch der ungleichste der Welt. Irgendetwas paßt hier nicht zusammen und geht auf grausame Weise schief. Die wichtigste Botschaft des Evangeliums ist, das Brot zu teilen, aber wir leben in einer Region, in der das Brot in sehr wenigen Händen angehäuft wurde.«

Um diese Situation zu überwinden und Lateinamerika weniger anfällig für Weltwirtschaftskrisen zu machen, betonte Correa die Bedeutung der neuen regionalen Finanzarchitektur aus der Bank des Südens, einem gemeinsamen Reservefonds sowie einem gemeinsamen Währungssystem. »Durch diese Prozesse wird die Region die künstliche Nachfrage nach dem US-Dollar im regionalen Handel und auf den Finanzmärkten reduzieren können, so daß die neue Architektur eine autonome Währungs- und Entwicklungspolitik ermöglichen wird, die nicht von den Purzelbäumen eines angeblichen Weltmarkts abhängt.« Zur Bekräftigung wurde am Dienstag die erste Handelstransaktion zwischen Venezuela und Ecuador in der neuen regionalen Rechnungswährung Sucre durchgeführt.

Zugleich warnte Correa, daß die Hauptgefahr für den Weg Lateinamerikas zum Sozialismus nicht von Oppositionellen und Yankeefreunden ausgehe, sondern von denen, »die unsere eigenen Banner und unseren eigenen Diskurs aufgreifen, aber mit lächerlichem Fundamentalismus und absurden Kindereien dem Fortschritt des Sozialismus schweren Schaden zufügen«. Namentlich kritisierte Correa Umweltschützer, die »wie Bettler herumsitzen« wollen, anstatt die Reichtümer zu nutzen, »die die Natur uns bietet«. In Bolivien und Ecuador sei auch das Aufkommen eines »kindischen Indigenismus« zu beobachten, der Primitivität und Armut als »beispielhaftes Leben« verherrliche. »Ich glaube an die indigene Bewegung als einem historischen Prozeß, aber wir müssen uns bewußt sein, daß einige ihrer Führer vom Kurs abgekommen sind.«

Erschienen am 7. Juli 2010 in der Tageszeitung junge Welt und am 8. Juli 2010 in der Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek