Nazifalle des Tages: Kurze Hosen

Magdeburg ist die Hauptstadt von Sachsen-Anhalt. Und Sachsen-Anhalt ist nicht Sachsen. Das stellen wir einfach mal so fest und führen nicht weiter aus, warum uns das momentan so wichtig ist. Auch wenn wir den dunklen und ganz bestimmt nicht gerechtfertigten Verdacht haben, dass die nachstehende Geschichte im Freistaat Sachsen anders ausgegangen wäre.

Am Donnerstag begleitete ein junger Mann in Magdeburg seine Freundin zu einer Anhörung bei der Kriminalpolizei. Warum die Dame dort aussagen sollte, wissen wir nicht, aber dass das von dem Mann ein netter Zug war, das schon. Dabei trug der junge Herr kurze Hosen, was angesichts der herrschenden Temperaturen erst einmal nachvollziehbar ist. Dumm nur, dass er auf der Wade ein Hakenkreuz eintätowiert hat – und an diesem Punkt endet jede Sympathie.

Deshalb konnten wir nur ganz breit grinsen, als wir aus der Pressemitteilung des Polizeireviers Magdeburg erfuhren, wie die Sache weiterging: Als die Polizisten das auf den nackten Beinen deutlich sichtbare Symbol entdeckten, erstatteten sie sofort Strafanzeige wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Jawoll, auch wenn man es angesichts der Bilder aus Chemnitz, Köthen und anderen Orten kaum noch glauben will: Nazisymbole sind in der Bundesrepublik nach wie vor verboten. Und es gibt also tatsächlich noch Beamte, die diese Verbote umsetzen.

Doch damit nicht genug. Bei der Feststellung der Personalien des jungen Neonazis stellte sich dann auch noch heraus, dass gegen den 23jährigen zwei Haftbefehle bestanden, darunter einer über vier Wochen Dauerarrest. Prompt ging es ab in die Jugendarrestanstalt in Halle. Und die konsternierte Freundin musste alleine nach Hause gehen. Dumm gelaufen.

Erschienen am 22. September 2018 in der Tageszeitung junge Welt