Nach der Wahl ist vor der Wahl

In einer offiziellen Zeremonie hat Venezuelas Nationaler Wahlrat (CNE) am Mittwoch abend (Ortszeit) Hugo Chávez formell zum Sieger der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Sonntag ernannt. Wie CNE-Chefin Tibisay Lucena erklärte, wurde der Staatschef mit 8136637 Stimmen (55,26 Prozent) für den Zeitraum 2013 bis 2019 im Amt bestätigt. Weiter würdigte sie erneut den weitgehend störungsfreien Verlauf der Abstimmung und dankte den Sicherheitskräften, den Angestellten ihrer Behörde und dem venezolanischen Volk, das durch die historisch hohe Wahlbeteiligung von über 80 Prozent »seiner Demokratie eine unerschütterliche Treue bewiesen« habe.

Die Menschen hätten sich aus freier Überzeugung an der Abstimmung beteiligt. »Und wer dies nicht anerkennen will, verurteilt sich selbst dazu, von der Geschichte, die unser Vok schreibt, überrollt zu werden.« Damit bezog sich Lucena auf vereinzelte Äußerungen von Oppositionspolitikern wie der Parlamentsabgeordneten María Corina Machado. Diese hatte sich Stunden zuvor geweigert, die Ergebnisse vom 7. Oktober anzuerkennen und das venezolanische Wahlsystem »pervers« genannt, weil es am Sonntag »keine Freiheit, keine Gerechtigkeit, keine Transparenz« gegeben habe. Dem widersprach sogar der unterlegene Oppositionskandidat Henrique Capriles Radonski, der seine Anhänger davor warnte, weiter an Manipulationsthesen festzuhalten. »Ich sage ganz klar: Es hat keinen Betrug gegeben«, unterstrich er am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Caracas.

Nach Erhalt der offiziellen Ratifikationsurkunde durch Lucena ergriff Hugo Chávez das Wort zu einer kurzen Ansprache. Dabei räumte er ein, daß seine Regierung in der neuen Amtszeit verpflichtet sei, schneller wirksame Antworten auf die »Tausenden Probleme« zu finden, die heute noch das venezolanische Volk belasten. Venezuela werde jedoch niemals in die Zeiten des Neoliberalismus zurückfallen. »Der Kurs, den wir eingeschlagen haben, ist der zur Rettung unseres Volkes, zum Aufbau des Sozialismus des 21. Jahrhunderts im Rahmen der nationalen bolivarischen Verfassung.« Mehrfach hatte Chávez in den vergangenen Tagen begrüßt, daß inzwischen auch die Opposition das Grundgesetz anerkannt habe, das 1999 mit breiter Mehrheit in einer Volksabstimmung verabschiedet worden war. Nun gehe es darum, mehr Effizienz beim Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus zu erreichen.

Bejubelt wurden diese Worte von Tausenden Anhängern, die sich auf einem nahegelegenen Platz versammelt hatten. Dort wurde der offizielle Abschluß des Wahlkampfs mit einem kostenlosen Konzert gefeiert, bei dem bekannte Bands auftraten, die Chávez schon in den vergangenen Wochen unterstützt hatten.

Der Staatschef nutzte die Gelegenheit auch, um den versammelten Journalisten mitzuteilen, daß er seinen bisherigen Außenminister Nicolás Maduro zum neuen Vizepräsidenten ernannt habe. Maduro löst Elías Jaua ab, der sich bei den Regionalwahlen am 16. Dezember um das Amt des Gouverneurs im Bundesstaat Miranda bewerben will. Jaua wird damit Herausforderer des dort bislang amtierenden Henrique Capriles Radonski, der Chávez bei der Präsidentschaftswahl unterlegen war. Wer Nachfolger Maduros als Außenminister wird, wurde noch nicht mitgeteilt.

Nachdem sich das Regierungslager am 7. Oktober in 22 der 24 Bundesstaaten Venezuelas durchsetzen konnte, sind die Hoffnungen auf einen weiteren Wahlsieg bei den Gouverneurs- und Kommunalwahlen im Dezember gewachsen. Die Vereinte Sozialistische Partei (PSUV) gab am Mittwoch abend die Namen ihrer Kandidaten bekannt. Bei den Bündnispartnern stieß dies auf Widerspruch, weil die PSUV kritische Anmerkungen der anderen Parteien zu ihrem Personalvorschlag offenbar nicht aufgreifen wollte. Die Kommunistische Partei (PCV) will deshalb am heutigen Freitag eigene Kandidaten einschreiben. »Wir wollen dadurch die Möglichkeit zum Antreten offenhalten«, sagte Parteichef Oscar Figuera mit Blick darauf, daß die Einschreibefrist am selben Tag abläuft. Man wolle aber im Rahmen des »Großen Patriotischen Pols« doch noch eine Einigung auf einheitliche Kandidaturen erreichen.

Erschienen am 12. Oktober 2012 in der Tageszeitung junge Welt