Morde vor Verhandlungen

Vor der am Mittwoch erwarteten Ankunft einer iberoamerikanischen Außenministerdelegation in Tegucigalpa sind zwei weitere Aktivisten der Widerstandsbewegung in Honduras ermordet worden. Wie das »Komitee der Familienangehörigen von verschwundenen Verhafteten« (COFADEH) informierte, wurde der Lehrer Mario Contreras, der als Vizedirektor ein Bildungszentrum mit 2000 Schülern geleitet hatte, am vergangenen Freitag von zwei Unbekannten durch Schüsse ins Gesicht ermordet. Zeugenaussagen zufolge müsse von einer gezielten Ermordung des Lehrers ausgegangen werden, da es die Täter offenbar nicht auf Wertsachen abgesehen hatten, teilte das Zentrum für Folteropfer CPTRT mit. Ebenfalls am Freitag wurde auch Antonio Leiva, ein Angehöriger der Lenca-Indígenas, tot aufgefunden, nachdem er wenige Stunden zuvor in Tegucigalpa verschleppt worden war. Beide Opfer waren aktive Mitglieder der Widerstandsbewegung, die seit dem Staatsstreich vom 28. Juni gegen den Sturz des rechtmäßigen Präsidenten Manuel Zelaya protestiert.

COFADEH-Präsidentin Berta Oliva warnte, daß die Verbrechen keine isolierten Vorgänge seien. Auch andere führende Mitglieder der Widerstandsbewegung hätten anonyme Morddrohungen erhalten, darunter der unabhängige Präsidentschaftskandidat Carlos H. Reyes, Rafael Alegría von der Bauernorganisation Vía Campesina und die linke Parlamentsabgeordnete Silvia Ayala. Auch die Menschenrechtsorganisation Ciprodeh berichtete von bislang mindestens 17 Todesopfern der Repression in den drei Monaten seit dem Putsch, die von der Organisation dokumentiert werden konnten. Hinzu kommen über 4000 Verhaftete, darunter 156 Minderjährige. Zuletzt seien zwei Jungen im Alter von acht und zwölf Jahren gemeinsam mit ihren Eltern verhaftet worden. Zelaya hatte seinerseits von »mehr als 100« Todesopfern seit dem Putsch gesprochen, von denen viele aber noch nicht namentlich bekannt seien.

Sprecher der Widerstandsbewegung warnten, es könne keine Verhandlungen geben, während auf der Straße die Repression fortgesetzt werde. Zumindest der Ausnahmezustand sollte am Montag aufgehoben werden. Das kündigte der von den Putschisten als »Präsident« eingesetzte Roberto Micheletti an.

Zu den hochrangigen Vertretern aus zehn Ländern, die am Mittwoch als Vermittler in Tegucigalpa erwartet werden, gehören die Außenminister von Costa Rica, Mexiko, Argentinien, Jamaika und Panama sowie Staatssekretäre aus Kanada und Spanien. Die Erwartungen an die Delegation sind sowohl unter den Gegnern als auch Unterstützern des Staatsstreiches hoch. Erwartet wird nicht weniger als ein Durchbruch, um die durch den Putsch ausgelöste Krise in dem zentralamerikanischen Land zu lösen.

Erschienen am 6. Oktober 2009 in der Tageszeitung junge Welt