»Mitte-links verschwand wie Eis in der Arktis«

Gespräch mit Jørgen Petersen, Vorsitzender der Kommunistischen Partei (Kommunistisk Parti) in Dänemark

Die dänische Kommunistische Partei wurde 2006 gegründet. Was war der Grund dafür, es gab und gibt doch andere und ältere kommunistische Parteien in Dänemark?

Die Initiative zur Gründung unserer Partei ging von mehreren kommunistischen Organisationen aus, da nach dem Verschwinden des sozialistischen Lagers in Osteuropa eine komplett neue Situation entstanden war. Wir haben die Notwendigkeit gesehen, zu versuchen, alle kommunistischen Parteien Dänemarks zu vereinigen. Wir hatten die Hoffnung, daß die Gründung unserer Partei die Spaltung der Kommunisten überwinden würde, weil wir keine ideologischen Unterschiede mehr erkennen konnten, die nicht nebeneinander in einer gemeinsamen Partei existieren könnten. Im Ergebnis erreichten wir die Vereinigung von zwei Organisationen, der DKP/ML und der Kommunistisk Samling, aber die Zersplitterung der Bewegung besteht weiter. Wir sind mit dieser Situation nicht glücklich und haben immer unterstrichen, daß unser Ziel ist, eine einzige vereinigte kommunistische Partei in Dänemark zu erreichen. Erste Schritte zu diesem Ziel werden unternommen. So treten bei den Kommunalwahlen im November 2013 zum ersten Mal drei dänische Kommunistische Parteien in den beiden größten Städten des Landes, Kopenhagen und Aarhus, mit einer gemeinsam Liste an.

 

Diese drei Bestandteile sind Ihre Partei, die KP in Dänemark (KPiD) und die KP Dänemarks (DKP). Die letztere ist aber auch Bestandteil der rot-grünen Enhedslisten …

Ja, sie sind Mitglied dieses Bündnisses, aber sie haben ihre eigenen Strukturen beibehalten.

Enhedslisten unterstützt die gegenwärtige dänische Regierung, eine Koalition aus Sozial­demokraten und Sozialistischer Volkspartei. Die Politik dieser Regierung ist aber nicht wirklich links, oder?

Ich glaube nicht, daß man von einer Unterstützung der Regierung durch Enhedslisten sprechen kann. Sie hat der Koalition im Parlament lediglich ihre Stimmen gegeben, damit diese die nötige Mehrheit hat. Sie unterstützt die Regierungspolitik aber nicht und droht inzwischen damit, dem Kabinett ihre Stimmen zu entziehen.

Was sind die Gründe für solche Drohungen?

Die jetzige Koalition kam aufgrund einer gemeinsamen Bewegung der dänischen Arbeiterklasse an die Regierung. Sie hatte im Wahlkampf die Unterstützung der Gewerkschaften und von deren Mitgliedern. Es war eine Bewegung für einen politischen Kurswechsel nach über zehn Jahren rechter Regierungen. Sozialdemokraten, Sozialistische Volkspartei und Enhedslisten legten damals ein gemeinsames politisches Programm vor, in dem die Rücknahme zahlreicher Kürzungen und von Sozialabbaumaßnahmen der rechten Regierung versprochen wurde. So entstand eine sehr optimistische Atmosphäre, und nur dadurch war die jetzige Koalition in der Lage, die Regierung zu bilden.

Doch nach der Wahl verhandelten die beiden Parteien mit der kleinen Liberalen Partei und vereinbarten, die Finanzpolitik der rechten Regierung fortzusetzen. Einer der ersten Schritte der neuen Regierung war so, die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes der EU zu akzeptieren, obwohl Dänemark als Nicht-Euro-Land dazu nicht verpflichtet gewesen wäre. Diese Politik entsprach aber den Interessen des Monopolkapitals in unserem Land, das europaweit etwa ebenso viele Arbeitsplätze kontrolliert wie in Dänemark selbst. Deshalb hat die Regierung alle EU-Beschlüsse in dänisches Recht umgesetzt und zum Beispiel das Defizit der öffentlichen Haushalte entsprechend der Vorgaben gekürzt. Damit aber verschwand das ursprüngliche Mitte-Links-Programm wie das Eis in der Arktis, denn für diese Vorhaben gab es keinen Raum mehr. So wurde im Wahlkampf versprochen, die obersten Einkommen höher zu besteuern, aber wie in Frankreich wurde das auch in Dänemark nicht umgesetzt. Statt dessen wurden die Steuern für die Reichen sogar zweimal gesenkt. Fast ohne Ausnahme hat die neue Regierung die Politik ihrer Vorgänger fortgesetzt.

Aber das ist der Enhedslisten noch nicht genug, der Regierung die Zusammenarbeit aufzukündigen?

Sie hat für keine einzige dieser Maßnahmen gestimmt. Alle diese Gesetze sind ausnahmslos mit Unterstützung der früheren Regierungsparteien durchgekommen.

Erschienen am 10. Mai 2013 in der Tageszeitung junge Welt