Mit Literatur gegen die Globalisierung

Ecuadors Kulturministerin Erika Silva durfte am Donnerstag in Havanna die 20.Internationale Buchmesse eröffnen. Sie sprach als Vertreterin der Bolivarischen Allianz für die Völker Unseres Amerikas (ALBA), der in diesem Jahr die große Literaturausstellung gewidmet ist. ALBA sei das entscheidende Instrument, um die Kultur der Länder des Kontinents zusammenzuführen, unterstrich Silva. Anfang dieses Jahrhunderts habe es nahezu zeitgleich in vielen Ländern »Hunger nach Veränderungen« gegeben, der dazu führte, daß in zahlreichen Staaten kurz nacheinander progressive Regierungen an die Macht kamen. Das Venezuela von Hugo Chávez, das Bolivien von Evo Morales, das Ecuador von Rafael Correa, Kuba, aber auch das Honduras von Manuel Zelaya seien Beweise dafür, daß in Lateinamerika eine Alternative zur kapitalistischen Globalisierung möglich sei. Als Beispiele erinnerte sie an die Hilfe der Gemeinschaft für Haiti nach dem Erdbeben im vergangenen Jahr, aber auch an die sofortigen Proteste Lateinamerikas gegen den Putschversuch in ihrem Land am 30. September letzten Jahres.

Unter den mehreren hundert Ehrengästen, die an der Eröffnungsveranstaltung teilnehmen durften, waren auch Kubas Vizepräsident Esteban Lazo, Parlamentspräsident Ricardo Alarcón und nicht weniger als 14 Kulturminister aus den ALBA-Ländern, aber auch aus anderen Staaten. Aus Venezuela ist der Essayist Luis Britto García angereist, aus Brasilien kam der Befreiungstheologe Frei Betto, und Kubas Literaturwelt wurde unter anderem von Roberto Fernández Retamar repräsentiert. Im Mittelpunkt standen aber die beiden Schriftsteller Jaime Sarusky und Fernando Martínez Heredia, die sich ebenfalls mit kurzen Ansprachen an die Gäste wandten. »Das Geld darf nicht das einzige sein, das das Leben der Menschen bestimmt«, forderte Martínez, der 2006 mit dem kubanischen Nationalpreis für Sozialwissenschaften ausgezeichnet wurde. »Nur der Sozialismus ist in der Lage, Freiheit und soziale Gerechtigkeit zu ermöglichen.«

Die historische Festung La Cabaña, die sich mit ihren alten Kanonenrohren über der Altstadt von Havanna erhebt, erweist sich wieder einmal als eine beeindruckende Kulisse für das kubanische Kulturfestival, zumal in diesem Jahr bislang auch die Temperaturen mit karibischer Wärme mitspielen. Während die untergehende Sonne ihr Licht über den Hafen der kubanischen Hauptstadt streichen ließ, spielten junge Orchester Melodien aus Lateinamerika, der kubanische Nationalchor sang dazu. Anschließend eröffneten Lazo, Alarcón und die angereisten Minister die gemeinsame Ausstellungshalle der ALBA-Länder, während sich die weiteren Gäste unter dem mittlerweile sternenklaren Nachthimmel den von freundlichen Kubanerinnern ausgeschenkten Mojito schmecken ließen. In den kommenden Tagen werden wieder Hunderttausende Menschen in die Festung strömen, um Ausschau nach den Tausenden Neuerscheinungen zu halten, die Hunderte kubanische und viele weitere lateinamerikanische Verlage auch in diesem Jahr anbieten.

Wer es noch nicht weiß: junge Welt ist auch vor Ort – mit Stand, einer zweisprachigen Buchmesse-Sonderausgabe der Zeitung und einem Blog im Internet. Wir sind seit 2004 jährlich präsent. Damals war Deutschland Gastland der Buchmesse, die »rot-grüne« Bundesregierung setzte aber auf Boykott und Fernbleiben. Den Herren Gerhard Schröder (SPD) und Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) zum Trotz war Deutschland seinerzeit mit seiner bis dato größten Präsenz in Havanna vertreten, da sich zahlreiche Verlage und Organisationen dem Boykott verweigerten und sich vor Ort präsentierten. Die alternative deutsche Beteiligung, die das Berliner Büro Buchmesse Havanna und die junge Welt gemeinsam mit Verlagen und Kuba-Solidaritätsgruppen arrangieren, wird seitdem fortgesetzt. Mittlerweile ist die BRD mit der Frankfurter Buchmesse GmbH auch wieder »offiziell« in Havanna vertreten.

Erschienen am 12. Februar 2011 in der Tageszeitung junge Welt