Millionen gegen Trump

Mehrere Millionen Menschen haben am Wochenende in zahlreichen Städten der USA gegen den neuen Präsidenten Donald Trump protestiert, der am Freitag in Washington den Amtseid abgelegt hatte. Am Rande dieser Zeremonie demonstrierten Tausende, einige lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei. In Oakland traten Hafenarbeiter einem Bericht des lokalen Fernsehsenders KTVU zufolge in den Streik gegen den neuen Staatschef. Teile des Hafens lagen für Stunden still.

Am Sonnabend gingen Hunderttausende Menschen auf die Straße. Zu den »Märschen der Frauen« hatten vor allem Frauenverbände aufgerufen, um gegen die sexistischen Äußerungen des neuen Staatschefs zu protestieren. Die Beteiligung lag weit über den Erwartungen der Organisatoren, auch weil viele Medien offen für die Demonstrationen geworben hatten. Zwischenzeitlich konnte man auch bei den Nachrichten internationaler Agenturen den Eindruck gewinnen, es laufe ein Wettbewerb, wer die höchsten Teilnehmerzahlen melden würde. Für die Hauptstadt Washington schwankten die Schätzungen zwischen 500.000 und einer Million Teilnehmern, in Los Angeles meldeten die Veranstalter 750.000 Menschen – die Polizei räumte indirekt mehr als eine halbe Million Demonstranten ein. In New York nannten die Behörden die Zahl von 400.000 Protestierenden. Auch in Chicago, Boston und Denver gingen jeweils Hunderttausende auf die Straße.

Zahlreiche Prominente hatten sich dem Protest angeschlossen, unter anderem der bisherige Außenminister John Kerry. Die Sängerin Madonna rief in Washington zur »Revolution« auf und schleuderte »unseren Widersachern« ein lautes »Fuck you« entgegen. Der Fernsehsender CNN brach daraufhin seine Liveübertragung der Rede ab. Der Filmemacher Michael Moore rief dazu auf, die Demokratische Partei zu übernehmen. Die »alte Garde« müsse durch neue, junge Führungspersönlichkeiten ersetzt werden, durch Frauen, Farbige, Schwule und Lesben. Auch die sozialistische Bürgerrechtlerin Angela Davis rief zum Widerstand gegen die Milliardäre, gegen die Privatisierung der Gesundheitsversorgung und gegen den Rassismus auf. »Wir wissen, dass wir kollektive Akteure der Geschichte sind, und diese Geschichte kann nicht gelöscht werden wie eine Internetseite«, rief sie aus. Sie spielte damit darauf an, dass die neue Administration unmittelbar nach Trumps Vereidigung weite Teile der bisherigen Homepage des Weißen Hauses vom Netz genommen hatte – unter anderem den kompletten spanischsprachigen Bereich. »Frauenrechte sind überall auf dem Planeten Menschenrechte«, erklärte Angela Davis. »Deshalb fordern wir Freiheit und Gerechtigkeit für Palästina. Deshalb feiern wir die bevorstehende Freilassung von Chelsea Manning – und von Oscar López River. Aber wir fordern auch Freiheit für Leonard Peltier, Freiheit für Mumia Abu-Jamal, Freiheit für Assata Shakur!«

Trump kommentierte die Proteste am Sonntag wie üblich über Twitter: »Wir hatten doch gerade eine Wahl. Warum haben diese Leute nicht gewählt?« Tatsächlich hatte der neue Staatschef allerdings nicht einmal die Mehrheit der abgegebenen Stimmen gewonnen, sondern vom US-Wahlrecht profitiert, durch das er die Mehrheit der Wahlleute erhielt. Wohl auch deshalb ergänzte er wenig später: »Friedliche Proteste sind ein Markenzeichen unserer Demokratie. Auch wenn ich mit ihnen nicht immer übereinstimme, erkenne ich das Recht der Menschen an, ihre Sichtweise zum Ausdruck zu bringen.«

Erschienen am 23. Januar 2017 in der Tageszeitung junge Welt