Militärrevolte in Bolivien

Das Oberkommando der bolivianischen Streitkräfte hat 720 Unteroffiziere zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Die Angehörigen von Heer, Luftwaffe und Marine hätten sich des Aufruhrs sowie Angriffen auf die Ehre und Würde der Streitkräfte schuldig gemacht, hieß es in einem offiziellen Kommuniqué, das die staatliche Nachrichtenagentur ABI am Freitag verbreitete. Mit diesem Schritt reagierte die Regierung auf die anhaltenden Proteste von Militärs gegen niedrige Löhne und die »kolonialistische und imperialistische Doktrin«, die noch in den Streitkräften herrsche. In voller Kampfuniform waren zuletzt am Donnerstag bis zu 2000 Soldaten durch die Straßen von La Paz marschiert. Sie werfen Verteidigungsminister Rubén Saavedra vor, die Angehörigen der Streitkräfte ungleich zu behandeln. »Wir sind nicht gegen die Regierung«, behauptete ihr Anführer Johnny Gil gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. »Wir wenden uns gegen das kapitalistische, neoliberale, koloniale Modell im Militär.«

 

Dagegen wertete das Oberkommando die Proteste als Putschversuch. Fortbestehende Diskriminierungen in den Streitkräften könnten kein Vorwand für Aufruhr und die Vorbereitung eines Staatsstreichs sein, erklärte General Víctor Baldivieso. Auch die staatliche Tageszeitung Cambio warnte am Freitag auf ihrer Titelseite vor dem »Putschversuch« und hob die Reaktionen des Gewerkschaftsbundes COB sowie der im Netzwerk CONALCAM zusammengeschlossenen Basisorganisationen hervor. Die beiden Vereinigungen hatten in einer gemeinsamen Stellungnahme unterstrichen: »Die sozialen Bewegungen Boliviens, die Arbeiterklasse, die indigenen Nationen und die in der COB gewerkschaftlich organisierte Mittelschicht werden den gegenwärtigen Prozeß und die Regierung des Präsidenten Evo Morales gegen jeden Versuch der Destabilisierung verteidigen.« Man sei zwar dafür, alle Institutionen des bolivianischen Staates weiter zu verändern, doch dürfe man nicht auf »rechte Provokateure im Dienste des Imperiums und fremder Länder« hereinfallen. Namentlich genannt wurde in der Erklärung der seit 2009 im Ruhestand befindliche General Marcelo Antezana, der sich an den Aktionen beteiligt habe. Der frühere Oberkommandierende des Heeres gilt den Behörden und den Linken in Bolivien als Vaterlandsverräter, weil er 2005 ohne vorherige Autorisierung chinesische Raketen aus dem Bestand der bolivianischen Armee an die USA übergeben hatte.

Erschienen am 26. April 2014 in der Tageszeitung junge Welt