junge Welt, 22. Mai 2018

Mehrheit für Maduro

Nicolás Maduro bleibt Präsident Venezuelas. Mit deutlichen 68 Prozent der Stimmen setzte er sich am Sonntag (Ortszeit) nach einem ruhig und ohne gravierende Zwischenfälle verlaufenen Wahltag klar gegen seine Konkurrenten Henri Falcón, Javier Bertucci und Reinaldo Quijada durch. Während der Amtsinhaber laut den vorläufigen Ergebnissen des Nationalen Wahlrats (CNE) nach Auszählung von 94 Prozent der Stimmen von 5,8 Millionen Venezolanern unterstützt wurde, kam Falcón auf für ihn enttäuschende 1,8 Millionen. Er bezichtigte das Regierungslager des Stimmenkaufs und wollte seine Niederlage nicht anerkennen.

Maduro wies die Vorwürfe zurück, schlug aber vor, alle Stimmen zu überprüfen, die im automatisierten venezolanischen Wahlsystem abgegeben wurden. Ohnehin wird schon regulär in mehr als der Hälfte aller Abstimmungslokale kontrolliert, ob die Ergebnisse, die sich aus den ausgedruckten Kontrollzetteln ergeben, mit den elektronisch übermittelten Resultaten übereinstimmen. In Wahllokalen waren Vertreter der beteiligten Parteien anwesend, und Hunderte Wahlbeobachter verschafften sich selbst einen Eindruck vom Ablauf der Abstimmung. Aus Deutschland waren dazu auf Einladung des Nationalen Wahlrats, der obersten Wahlbehörde Venezuelas, unter anderem zwei Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke nach Caracas gereist. Zu den »Beobachtern« gehörten auch Ecuadors früherer Präsident Rafael Correa, der spanische Exregierungschef José Luis Rodríguez Zapatero, die kolumbianische Menschenrechtsaktivistin Piedad Córdoba und der honduranische Expräsident Manuel Zelaya.

Nach Bekanntwerden der Ergebnisse versammelten sich Anhänger Maduros am Sonntag abend am Präsidentenpalast Miraflores in Caracas. Der Staatschef hatte jedoch trotz seines Sieges wenig Grund zum Jubeln. Das Ergebnis bedeutet für ihn einen Verlust von 1,5 Millionen Wählerstimmen gegenüber 2013. Die Beteiligung lag nur bei rund 48 Prozent. Grund dafür dürften nicht nur die Boykottaufrufe der rechten Oppositionsparteien gewesen sein, sondern auch die Unzufriedenheit vieler »Chavistas«, die zu Hause geblieben sind. Maduro machte in seiner Ansprache vor dem Regierungsgebäude jedoch auch eine »Sabotage der Transportmittel« als Grund für die geringe Beteiligung aus.

Die USA, die EU und mehrere Regierungen Lateinamerikas hatten bereits im Vorfeld angekündigt, die Wahlergebnisse nicht anerkennen zu wollen. Kanada hatte Venezuela sogar verboten, in der Botschaft und den Konsulaten die Abstimmung durchzuführen. Maduro wies das als »Kolonialismus« und imperialistische Einmischung zurück: »In Venezuela entscheidet das venezolanische Volk, und niemand sonst!« Er rief zu einem Dialog zwischen allen Teilen der Gesellschaft auf: »So, wie ich Respekt erwarte, respektiere ich diejenigen, die für die Opposition gestimmt haben oder die aus politischen oder sozialen Gründen nicht zur Wahl gegangen sind«, erklärte er. Bereits am Morgen, nachdem er wenige Minuten nach sechs Uhr seine Stimme abgegeben hatte, hatte er von einer »Regierung der nationalen Einheit« gesprochen.

Als erster ausländischer Staatschef meldete sich noch am Sonntag abend Boliviens Präsident Evo Morales zu Wort und gratulierte Maduro zu dessen erneutem Sieg über die Einmischungspolitik des nordamerikanischen Imperiums: »Wir freien Völker werden uns niemals unterwerfen!«

Erschienen am 22. Mai 2018 in der Tageszeitung junge Welt