Mehr Geld für Sklavenhändler

Die Europäische Union hat am Donnerstag ihren Marineeinsatz »Sophia« im Mittelmeer sowie die Unterstützung für die unter dem Namen libysche »Küstenwache« operierenden Milizen in dem nordafrikanischen Staat um weitere sechs Monate verlängert. Diese stehen jedoch im Verdacht, selbst in kriminelle Machenschaften wie Menschenschmuggel, Folterungen und Sklaverei verwickelt zu sein. So ist sie offenbar auch am Betrieb der Gefangenenlager in Libyen beteiligt, die deutsche Diplomaten schon 2017 mit Konzentrationslagern verglichen hatten. Durch ihre Unterstützung für die »Küstenwache« finanzierten die EU und ihre Mitgliedsstaaten zumindest indirekt den Betrieb dieser Lager mit, kritisierte der israelische Rechtsanwalt Omer Shatz am Mittwoch in einer Anhörung des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Juan Branco hat er im Juni die EU vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verklagt. Ihr Verhalten sei zumindest als Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu werten, sagte er am Donnerstag im jW-Gespräch.

2015 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strasbourg untersagt, gerettete Flüchtlinge nach Libyen zurückzubringen, weil das nach wie vor von Krieg zerrüttete Land nicht sicher sei. Daraufhin hatte die EU ihre Seenotrettungsmission »Mare Nostrum« eingestellt, um die Menschen nicht in europäischen Ländern aufnehmen zu müssen. Die »verbrecherische Politik« der Zurückweisungen habe man an die libysche »Küstenwache« ausgelagert, so Shatz. Allein in den vergangenen vier Jahren seien so 50.000 Menschen, die den libyschen Folterlagern entkommen konnten, dorthin zurückgebracht worden. Ein Kurswechsel ist nicht in Sicht. Auch weiterhin will die EU keine Schiffe zur Rettung von Menschen in Seenot einsetzen, teilte der Europäische Rat am Donnerstag mit.

Seit dem von der NATO herbeigebombten Sturz von Staatschef Muammar Al-Ghaddafi 2011 herrschen in Libyen Chaos und Bürgerkrieg. Der international anerkannte Ministerpräsident Fajes Al-Sarradsch hat es nie geschafft, seine Macht außerhalb der Hauptstadt Tripolis zu konsolidieren. Weite Teile des Landes werden vom abtrünnigen General Haftar kontrolliert, den Sarradsch in seiner Ansprache vor der UN-Vollversammlung am Mittwoch als »Kriegsverbrecher« attackierte.

Erschienen am 27. September 2019 in der Tageszeitung junge Welt