Lügen gegen Kuba

Der diesjährige Schirmherr des Christopher Street Day (CSD) in Hamburg, Corny Littmann, hat sich eine prominente Begleiterin für den am heutigen Samstag stattfindenden Umzug für die Rechte der Schwulen und Lesben eingeladen. Gast des früheren Präsidenten des Fußball-Bundesligisten FC St. Pauli und Chefs des Schmidt-Theaters an der Reeperbahn, ist die Direktorin des Nationalen Zentrums für Sexualerziehung (CENESEX) in Havanna, einer international anerkannten wissenschaftlichen Einrichtung. Sie kümmert sich in Kuba um Aufklärung, Sexualkunde und AIDS-Prävention und setzt sich für den Abbau von Vorurteilen gegenüber sexuellen Minderheiten ein. Auch die CENESEX-Chefin Mariela Castro Espín ist weit über die Grenzen Kubas hinaus als fachkundige Expertin bekannt. Doch einige Medien der Hansestadt machen aus ihrer Teilnahme einen Skandal, denn sie ist die Tochter des kubanischen Präsidenten Raúl Castro. »Mariela Castro sollte den CSD nicht anführen«, fordert beispielsweise »Hamburgs schwules Stadtmagazin« Hinnerk in einem Kommentar auf seiner Homepage. Mariela Castro habe schließlich gesagt, sie wolle mit dem CSD »nichts zu tun haben«. Von jW dazu am Donnerstag abend befragt, dementierte sie, so etwas je gesagt zu haben und zeigte sich überrascht, daß die Hinnerk-Journalisten sie nicht selbst darauf angesprochen haben. Schließlich sei sie von diesen erst wenige Tage zuvor interviewt worden. Dabei sei die nun geäußerte Kritik kein Thema gewesen. »Das Magazin reproduziert so die Diskriminierung, gegen die es sich eigentlich wehren will. Sie diskriminieren mich wegen meiner politischen Überzeugung«, so Mariela Castro.

Auch auf ein weiteres in Hamburg erscheinendes Magazin ist sie sauer. Am 19.Juli veröffentlichte Der Spiegel unter der Überschrift »Wir brauchen Veränderungen« ein knapp zwei Seiten füllendes Interview, das Spiegel-Korrespondent Manfred Ertel in Havanna mit Mariela Castro geführt hat. Angefragt hatte er, um mit ihr über die Arbeit des CENESEX zu sprechen. Herausgekommen ist ein »Interview«, das nach ihrer Ansicht mit dem in Havanna geführten Gespräch kaum noch etwas zu tun hat. »In der gedruckten Fassung hat die Redak­tion Fragen eingefügt, die sie mir nie gestellt hat. Eine solche Frechheit und ein solches Fehlen von Professionalität habe ich noch nicht erlebt, nicht einmal bei Medien in den USA«, so Castro. So schüttelte sie den Kopf über die Frage, Kubas Jugend brauche »vor allem mehr Freiheit, mehr und bessere Handys…« Sie hätte bestimmt nicht eine so kühle und sachliche Antwort gegeben, wenn der Reporter diesen Unsinn tatsächlich zu ihr gesagt hätte. Und überhaupt: »Havanna ist voll von Handys.« Der Spiegel habe sie außerdem falsch zitiert. So habe sie die Gefangenen, die derzeit von der kubanischen Regierung freigelassen werden, ausdrücklich nicht als Terroristen bezeichnet: »Die Terroristen sind andere.« Trotzdem wird ihr dies vom Spiegel in den Mund gelegt.

Für Mariela Castro ist die Hetze gegen ihr Land und sie selbst kein Zufall, sondern Teil der Kampagne gegen den kubanischen Sozialismus. Dazu gehörten auch die Aktivitäten deutscher Diplomaten in Havanna, die direkt an der Finanzierung und Organisierung von konterrevolutionären Söldnern beteiligt seien.

Erschienen am 7. August 2010 in der Tageszeitung junge Welt

Siehe auch Interview: »Sozialismus ist kein Kunstwerk«