Linke Spaltung

Gut ein Jahr vor der Präsidentschaftswahl im Dezember 2009 entschied Chile am Sonntag über die kommunalen Interessenvertretungen. Der Urnengang galt im Vorfeld als wichtiger Stimmungstest im Land. Aus diesem ging die Rechte, so die Endergebnisse vom Montag (Ortszeit), als Siegerin hervor. Das aus der Pinochet-Diktatur hervorgegangene Rechtsbündnis »Alianza por Chile« setzte sich bei den Bürgermeisterwahlen mit 40,56 Prozent gegen das mit zwei Listen angetretene Regierungslager um Präsidentin Michelle Bachelet durch. Dieses erreichte zusammen etwa 38,5 Prozent: Die »Concertación Democrática« (CD, Demokratische Vereinbarung) aus Christdemokraten und Sozialistischer Partei landete bei knapp 29 Prozent, die »Concertación Progresista« (CP, Fortschrittliche Vereinbarung) aus der Partei für die Demokratie (PPD) und der Radikal-Sozialdemokratischen Partei (PRSD) bei 9,75 Prozent.

Dieses sei »ein historischer Sieg für die Opposition, die zum ersten Mal seit 1958 eine Wahl gewann«, jubelte die rechte Tageszeitung El Mercurio. Besonders bitter dabei: Die Hauptstadt Santiago wird zukünftig vom ultrarechten Pablo Zalaquett Said von der während des Pinochet-Faschismus gegründeten Partei UDI regiert.

Bei der Abstimmung über die Stadträte konnte das Regierungslager hingegen seine Mehrheit behaupten, auch wenn die Rechten mit knapp 36 Prozent stärkstes Bündnis wurden. Die CD erreichte 27,9 Prozent, die CP 17,34 Prozent. Sie rechnen sich nun gute Chancen aus, im kommenden Jahr bei den Präsidentschaftswahlen ihre Mehrheit zu verteidigen. Allerdings sei die Spaltung ihres Lagers beim Urnengang am Sonntag »politischer Kannibalismus« gewesen, kritisierte der Vorsitzende der Sozialistischen Partei, Camilo Escalona. Präsidentin Bachelet forderte eine Erneuerung des Mitte-Links-Blocks und die Wiederherstellung der Einheit. Die »fortschrittlichen Kräfte« müßten genau darauf hören, was die Bevölkerung fordere, und das sei »mehr Einheit, mehr Einheit und mehr Einheit«.

Als Beispiel hob sie die Wahlabsprachen mit dem Linksbündnis »Juntos Podemos Más« (Gemeinsam können wir mehr) in rund zwanzig Gemeinden hervor und gratulierte der Kommunistin Claudina Núñez zu ihrer Wahl als Bürgermeisterin in Pedro Aguirre Cerda, einer Gemeinde im Einzugsgebiet Santiagos. Auf dem Gemeindegebiet liegt die Siedlung »La Victoria«, die für den Widerstand der Bevölkerung gegen die Militärdiktatur berühmt geworden war. Eine der historischen Führungspersönlichkeiten dieses Widerstandes war Núñez, die bei ihrer diesjährigen Kandidatur auch von den Parteien des Regierungsbündnisses »Concertación« unterstützt wurde und so in dieser Gemeinde erstmals seit dem Ende der Diktatur die Rechten besiegen konnte.

Tatsächlich ist das Bündnis aus Kommunistischer und Humanistischer Partei sowie der Christlichen Linken einer der Gewinner dieser Kommunalwahlen. Mit mehr als einer halben Million Stimmen und gut neun Prozent bei den Abstimmungen zu den Stadträten konnte die Liste 79 Stadträte im ganzen Land gewinnen. Etwas schwächer schnitt »Juntos Podemos Más« bei den Bürgermeisterwahlen ab, aber 6,36 Prozent reichten für sieben Bürgermeisterämter, ein Zugewinn von drei Mandaten.

Für den Vorsitzenden der KP Chiles, Guillermo Teillier, stellen diese Ergebnisse einen wichtigen Fortschritt im Kampf gegen die Ausgrenzung der Kommunisten aus dem Parlament dar. Trotz ihrer hohen Stimmanteile ist die KP aufgrund des noch aus der Endphase der Pinochet-Diktatur stammenden Wahlgesetzes bis heute nicht im Parlament vertreten. Bachelet hatte bei ihrer Wahl 2006 zwar versprochen, das Wahlrecht zu ändern, das geschah bis heute nicht – was sich nach dem aktuellen Wahlergebnissen ändern könnte. Auch deswegen, um eine Rückkehr der Rechten an die Regierung zu verhindern.

Erschienen am 29. Oktober 2008 in der Tageszeitung junge Welt