Lächelnde Imperialisten

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez ist am Donnerstag (Ortszeit) zum Staatsbesuch in Havanna eingetroffen. Er ist der erste spanische Regierungschef in Kuba seit der Visite von Felipe González im Jahr 1986. Damals gab es die Sowjetunion noch, und Kuba war Vorposten des sozialistischen Weltsystems. 32 Jahre später hat sich die Welt grundlegend geändert – und nicht zum Besseren. In dieser Situation ist Kuba, das im Januar den 60. Jahrestag seiner Revolution feiert, ein Leuchtturm für alle, die sich mit den herrschenden Verhältnissen nicht abfinden wollen.

Sánchez weiß das auch und will das ändern. Aber im Unterschied zu seinem Amtsvorgänger Mariano Rajoy, US-Präsident Donald Trump oder anderen wild um sich schlagenden Reaktionären setzt der Sozialdemokrat auf eine Strategie, die einst Willy Brandt gegenüber dem Osten prägte. Der damalige DDR-Außenminister Otto Winzer hatte diesen Kurs des »Wandels durch Annäherung« als »Konterrevolution auf Filzlatschen« definiert. Auch wenn man, auf die Insel bezogen, vermutlich eher von Flip-Flops oder Sandalen sprechen würde, der Vergleich stimmt auch heute noch.

Spanien und Kuba haben zum Auftakt des Besuchs ein Abkommen unterzeichnet, das jährliche Treffen auf der Ebene von Ministern und Staatssekretären vorsieht. Ausdrücklich festgehalten wird darin, dass man bei diesen Konferenzen Themen behandeln will, die sowohl von bilateraler als auch von multilateraler Bedeutung sind. Zwar hatte die Position Madrids bereits in der Vergangenheit entscheidendes Gewicht in Europa, wenn es um die Beziehungen zu Lateinamerika ging, doch mit diesem bilateralen Abkommen initiiert Sánchez eine Paralleldiplomatie außerhalb der »Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik« der EU. Offiziell begründet wird das mit den besonderen Beziehungen zwischen dem Königreich und seiner ehemaligen Kolonie, doch tatsächlich steckt mehr dahinter. Madrid hat in den vergangenen Jahren erleben müssen, wie insbesondere osteuropäische Staaten in der EU immer wieder eine Normalisierung der Beziehungen zu Havanna blockiert oder verzögert haben. Auf solche Partner, denen im Zweifelsfall ein freundliches Kopfnicken aus Washington wichtiger ist, will sich Spanien nicht verlassen müssen.

In Havanna weiß man sehr gut, dass weder lächelnde noch wutschnaubende Imperialisten irgend etwas für die Kubanische Revolution übrig haben. Zumal man auch aufmerksam wahrnimmt, wie sich Madrid gegenüber Venezuela verhält. Bei diesem Thema redet Sánchez auch von Dialog und Entspannung, andererseits trägt Madrid aber die von der EU gemeinsam mit den USA gegen Caracas verhängte Wirtschaftsblockade voll mit und verschärft damit die verheerende Versorgungslage. Schon Barack Obama hatte versucht, Kuba als Preis für die Normalisierung der Beziehungen zu Washington eine Distanzierung gegenüber Nicolás Maduro und dem bolivarischen Prozess aufzuzwingen. Dafür erhielt er in Havanna eine Abfuhr. Sánchez wird es nicht anders ergehen.

Erschienen am 24. November 2018 in der Tageszeitung junge Welt