Krisenmanagement des Tages: Champagner

Vergessen wir Gold, Immobilienbesitz und Aktien. Die einzige wirkliche Wertanlage ist Champagner. Ein echtes Wind-und-Wetter-Gesöff für diejenigen, die es sich leisten können. Zu genießen ist der Sekt laut Herstellern am besten bei acht bis zehn Grad Celsius – ideale Temperatur also auch für die sich entwickelnde Eiszeit zwischen London und Brüssel.

Für Anfänger gibt es bald das ultimative Werkzeug: Ein Winzerbetrieb aus Nordfrankreich will noch im März zunächst in Japan und ab April dann auch in Frankreich seinen Champagner in Flaschen abfüllen, die beim Kühlen die Farbe verändern. Hat der Schampus die richtige Trinktemperatur erreicht, erscheint ein Muster aus pinken Noten und Schmetterlingen.

Eigentlich wäre der Union Jack angebrachter, denn gerade in Zeiten des »Brexit« geht nichts über die Bonzenbrause. Ende März werden auf der Insel die Korken knallen, so oder so, denn beim Saufen endet der Patriotismus. Entweder feiern die Befürworter des EU-Austritts des in dieser Frage nicht gerade Vereinigten Königreichs den Vollzug – oder aber ihre Gegner, weil zwischen London und Brüssel doch noch irgendein Deal ausgehandelt werden konnte. Schampus braucht keinen Backstop.

Die französischen Sektproduzenten jedenfalls sehen sich auf alles vorbereitet. Mehr als zehn Millionen Flaschen des Blubberzeugs haben sie in Großbritannien gelagert, wie der Chef des Produzentenverbands UMC, Jean-Marie Barillère, am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP sagte. Bis zum angesetzten Austrittsdatum, dem 29. März, könnten es sogar noch 15 Millionen Flaschen werden. Damit James Bond nicht auf dem Trockenen sitzt, hat das Haus Bollinger – von gewieften Werbern als Lieblingsmarke des Agenten ihrer Majestät etabliert – Vorräte für mindestens drei Monate angelegt. Andere Firmen können ihre Kunden sechs Monate lang abfüllen, wenn es hart auf hart kommt. Das Überleben der Bourgeoisie auf der Insel ist also gesichert.

Erschienen am 14. März 2019 in der Tageszeitung junge Welt