Krieg in Mali: Altes Lied

Es ist der ganz gewöhnliche Imperialismus, der ganz gewöhnliche Krieg um Rohstoffe und Einfluß. Der Krieg, den Frankreich unter lautstarkem Beifall aus Deutschland in Mali führt, macht die Präsenz der einstigen Kolonialmacht auf dem afrikanischen Kontinent sichtbar. Die Fakten finden sich dezent versteckt in Nebensätzen der Agenturmeldungen. So heißt es, daß französische Panzer in Mali eingerückt sind, kommend aus Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste). Weiter wird notiert, daß die französischen Flieger, die Städte in Mali bombardieren – und dabei selbstverständlich nur Terroristen, auf keinen Fall aber Einwohner treffen –, vom Tschad aus starten. Kaum erwähnt wird, daß der eigentliche Auslöser für den Bürgerkrieg im Norden Malis der Krieg gegen Libyen war, der die gesamte Region noch mehr destabilisierte.

Und es fällt auf: Der Hauptfeind ist austauschbar. Im Norden Malis gelten die Islamisten – Gruppen, die eine politische Organisation des Staates nach den Vorgaben ihres jeweiligen Verständnisses der islamischen Religion anstreben – als Terroristen, die um jeden Preis gestoppt werden müssen. In Syrien sind sie Bündnispartner einer »von der internationalen Gemeinschaft als legitime Vertretung des Volkes anerkannten« Allianz bewaffneter Gruppen, deren Dominanz unter den Aufständischen gegen die Regierung von Baschar Al-Assad inzwischen auch von deutschen »Patriot«-Raketen beschirmt wird. Deutsche Waffen werden ohne Wenn und Aber in die wahabitische Klerikalmonarchie Saudi-Arabien geliefert, während die schiitische Islamische Republik Iran zur Existenzgefahr für die zivilisierte Welt stilisiert wird. Mit den islamistischen Milizen, die Libyen beherrschen, hat sich der Westen arrangiert, solange diese nicht die Raffinerien und Fördertürme der Ölkonzerne attackieren. In Ägypten sind die Muslimbrüder aber schon wieder die Bösen, und hierzulande sowieso.

Kaum ziehen wir den religiös-ideologischen Vorhang beiseite, entdecken wir ganz materielle Gründe für Krieg, Interventionen und Besatzung – und für die wechselnden Allianzen. So gibt es immer wieder Berichte über eine Förderung von Uranerz durch den französischen Atomkonzern ­AREVA in dem Gebiet in Mali, das nun durch die Aufständischen bedroht ist. Doch Bodenschätze sind für Frankreich ganz bestimmt nicht der Grund für das »Eingreifen«, ist sich etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung sicher, denn: »So ist der größte Handelspartner Malis nicht die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, sondern längst schon China mit einem Anteil von mehr als einem Viertel.« Wird genau dadurch nicht ein Schuh daraus?

Längst führen die Großmächte in Afrika einen Verteilungskampf um Einflußsphären und Rohstoffe. In den vergangenen Jahren haben dabei die EU und die USA massiv Boden an China verloren. Ist es da ein Wunder, wenn am Dienstag der außenpolitische Sprecher der CSU im Europaparlament, Bernd Posselt, die Lage in Mali als weiteren Anlaß nimmt, um eine EU-Armee zu fordern?

Erschienen am 16. Januar 2013 in der Tageszeitung junge Welt