Kreuzzug gegen Kuba

Venezuelas geschäftsführender Präsident Nicolás Maduro hat die Opposition aufgefordert, in ihrer Kampagne gegen die Regierung des südamerikanischen Landes nicht zu weit zu gehen. Sollten sich die Rechten »bis zu einem Extrem treiben lassen, von dem es keine Rückkehr mehr gibt«, könnten sie ihre bisherigen politischen Spielräume verlieren. Venezuela werde dann »von der friedlichen Revolution, die wir bisher gehabt haben, zu anderen, ebenfalls verfassungsmäßigen Kampfformen übergehen, zu einer anderen Art Revolution, die wir bis an die Wurzeln radikalisieren würden«. Das sagte er einem Bericht der Tageszeitung Correo del Orinoco zufolge am Montag (Ortszeit) in Caracas während einer Gesprächsrunde mit Intellektuellen aus Lateinamerika. In diesem Zusammenhang erinnerte er daran, daß »einige Teile der deutschen Gesellschaft es in ihrem Antikommunismus erlaubt haben, daß Adolf Hitler an die Macht kam und der Holocaust geschah«. Die schlimmsten Verbrechen der Geschichte seien mit dem Haß auf eine Ideologie oder ein Volk begründet worden, erklärte Maduro. Er zog eine Linie zur Gegenwart: »Heute führt die venezolanische Rechte eine antikubanische Kampagne voller Haß und Ausländerfeindlichkeit«.

 

Schon seit Jahren phantasieren Gruppierungen wie etwa die »Organisation der Venezolaner im Exil« (Orvex) von Miami aus von einer »kubanischen Invasion«, die eigentliche Regierung in Caracas seien der kubanische Geheimdienst und die »Brüder Castro«. Etwas gewählter drückte sich am Montag Ramón Guillermo Aveledo aus. Der Exekutivsekretär des venezolanischen Oppositionsbündnisses MUD stellte seine bril­lanten Rechenkünste unter Beweis: Da jeder kubanische Arzt in Venezuela umgerechnet 230 US-Dollar (etwa 179 Euro) im Monat verdiene, erhalte Havanna für jeden entsandten Mediziner jährlich 130000 Dollar. Auf diese Summe kam Aveledo offenbar, indem er das Volumen sämtlicher Abkommen zwischen Kuba und Venezuela – nach seinen Angaben 13,5 Milliarden Dollar seit dem Jahr 2000 – auf die Zahl der kubanischen Mediziner umrechnete: »Und im effektivsten Augenblick, der im Jahr 2010 registriert wurde, haben sie nur 40000 Ärzte in unser Land geschickt.« Den Beitrag Havannas etwa beim Alphabetisierungsprogramm »Misión Robinson« und anderen Bildungsinitiativen unterschlug Aveledo.

Trotz solcher Propaganda gibt es über den Ausgang der durch den Tod des bisherigen Staatschefs Hugo Chávez am 5. März notwendig gewordenen Präsidentschaftswahl kaum Zweifel. Alle Umfragen sagen einen klaren Sieg von Nicolás Maduro voraus, den Chávez bei seiner letzten öffentlichen Ansprache am 8. Dezember als seinen Favoriten benannt hatte. So prognostizierte das Meinungsforschungsinstitut IVAD am vergangenen Wochenende für Maduro einen Vorsprung von mehr als 22 Prozentpunkten vor dem Oppositionskandidaten Henrique Capriles Radonski. Während 53,8 Prozent der Befragten für den Amtsinhaber stimmen wollten, votierten lediglich 31,6 Prozent für Capriles. Rund 14,7 Prozent zeigten sich noch unentschlossen. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch Datanálisis und Hinterlaces, die den Vorsprung Maduros auf 14 bis 18 Punkte bezifferten.

Der wahrscheinliche Wahlverlierer ignoriert solche Prognosen tapfer und sieht sich auf einem »Kreuzzug für die Zukunft«, wie er bei einer Kundgebung in Carúpano verkündete: »Wir brauchen Hoffnung, Glauben in Gott und Mut. Wenn wir diese drei Charakteristika am 14. April zusammenbringen, wird ein mobilisiertes Volk Nicolás und seine Combo besiegen.«

Erschienen am 27. März 2013 in der Tageszeitung junge Welt