Konfrontation mit Geschichte

Was Pablo Casado, Sprecher der Spanien regierenden Volkspartei (PP), am Montag in Madrid von sich gab, empörte viele. Dem katalanischen Ministerpräsidenten Carles Puigdemont könne es ergehen wie seinem Amtsvorgänger Lluis Companys, warnte der Politiker. Companys war der Präsident der katalanischen Regionalregierung während des Spanischen Bürgerkrieges. Am 15. Oktober 1940 wurde er in Barcelona von den Franco-Faschisten erschossen.
Die verbale Auseinandersetzung am Vorabend der entscheidenden Parlamentssitzung vom Dienstag warf ein Schlaglicht auf die Debatte, die derzeit in Spanien um eine Unabhängigkeit Kataloniens geführt wird.
In Katalonien ist die Erinnerung an den Widerstand gegen den Faschismus bis heute lebendig, und während in anderen Teilen Spaniens noch immer Gedenktafeln und Straßennamen an die Putschisten um Franco und andere faschistische Verbrecher erinnern, wird in den Städten Kataloniens an die Opfer der Diktatur erinnert. Die PP hingegen, die 1976 von führenden Vertretern des Franco-Regimes gegründet worden war, ist bis heute einem spanischen Nationalismus verhaftet, der die Existenz mehrerer Völker in dem Staat leugnet. Deshalb klagte die PP 2006 gegen das vom spanischen Parlament und den Katalanen in einem Referendum gebilligte Autonomiestatut, weil darin unter anderem von der „katalanischen Nation“ die Rede war.

2010 gab das spanische Verfassungsgericht der Klage statt und erklärte weite Teile des Statuts für illegal. Seither haben Jahr für Jahr Massenkundgebungen mit teilweise mehreren Millionen Teilnehmern stattgefunden. Während Madrid auch in den folgenden Jahren jeden Kompromiss verweigerte, radikalisierte sich die Bewegung, rund die Hälfte der Bevölkerung spricht sich in Umfragen regelmäßig für die Unabhängigkeit aus.

Es gibt linke, sozialistische Kräfte in Katalonien, die darauf hoffen, durch die Gründung einer eigenständigen Republik die Kampfbedingungen für einen revolutionären Wandel zu verbessern. Und es gibt auch in Spanien Kräfte, die darauf hoffen, dass Katalonien einen Dominoeffekt auslösen könnte, in dessen Folge die Monarchie beseitigt werden könnte.

Die spanischen und katalanischen Kommunisten treten für das Selbstbestimmungsrecht der Völker Spaniens ein, auch wenn sie eine Abspaltung einzelner Teile des Staates ablehnen. Als die spanische Polizei und Guardia Civil am 1. Oktober brutal versuchten, die Abstimmung über eine Selbstbestimmung Kataloniens zu verhindern, standen die Mitglieder der verschiedenen linken Organisationen gemeinsam den Uniformierten gegenüber, um die Wahlurnen zu verteidigen. Beim Generalstreik am 3. Oktober demonstrierten Befürworter und Gegner der Unabhängigkeit gemeinsam gegen die Polizeigewalt. Es ist zu hoffen, dass sie einen Weg finden, auch weiterhin gemeinsam zu kämpfen – für die katalanische und für die spanische Republik.

Erschienen am 13. Oktober 2017 in der Wochenzeitung UZ – Unsere Zeit