Klimaschutz blockiert

Die ablehnende Haltung von Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel gefährdet das ehrgeizige Yasuní-ITT-Projekt der ecuadorianischen Regierung. Bei entsprechender internationaler Unterstützung soll zugunsten Indigener und des Artenreichtums im Yasuní-Nationalpark auf dem Ishpingo-Tambococha-Tiputini-Feld kein Erdöl mehr gefördert werden. Ecuadors Staatspräsident Rafael Correa hatte die Initiative im September 2007 vor der UN-Vollversammlung vorgeschlagen, nachdem im Boden des Nationalparks an der Grenze zu Kolumbien große Schwerölvorkommen entdeckt worden waren, die rund 20Prozent der ecuadorianischen Ölreserven ausmachen. Sein Land sei bereit, so Correa damals, auf die Förderung des »schwarzen Goldes« zu verzichten, um die Flora und Fauna der Region zu schützen und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Voraussetzung sei jedoch, daß die internationale Gemeinschaft wenigstens die Hälfte der Ecuador dadurch entgehenden Einnahmen zahlt. Das entspräche einer Summe von 3,6 Milliarden US-Dollar.

Die Reaktionen auf diesen spektakulären Vorschlag waren positiv, auch in Deutschland. So beschloß der Bundestag im Juni 2008 einen von CDU/CSU, SPD und Grünen gemeinsam eingebrachten Antrag, in dem das Projekt ausdrücklich als »von besonderer Bedeutung für den Erhalt eines weltweit einmaligen Biosphärenreservates und für den Schutz der dort lebenden indigenen Völker« begrüßt wird. Ohne eine konkrete Summe zu nennen, wird die Bundesregierung darin aufgefordert, sich »nach Findung eines soliden, gerechten und möglichst haushaltsschonenden Finanzierungsmechanismus gemeinsam mit anderen Gebern im Rahmen der geltenden Haushaltsplanung des Bundes finanziell zu beteiligen«. Gegenüber Quito versprach Berlin daraufhin offenbar sogar eine konkrete Summe, die sich dem Vernehmen nach auf insgesamt 700 Millionen US-Dollar belief, vermied aber schriftliche Festlegungen.

Die Kehrtwende kam im vergangenen September, als Niebel der Grünen-Bundestagsabgeordneten Ute Koczy in einem Brief mitteilte, »die Einzahlung in den Treuhandfonds für die ITT-lnitiative nicht in Betracht (zu) ziehen«. Folgerichtig lehnten die Regierungsfraktionen im November einen Antrag der Linksfraktion ab, im Haushalt 2011 Mittel für die Unterstützung des Projekts in der Amazonasregion bereitzustellen. Begründet wurde dieser Schwenk von Niebel damit, daß »für uns wesentliche Fragen zu dieser Initiative (…) nicht befriedigend beantwortet oder offen geblieben« seien. Noch vor dieser Abstimmung, nämlich im Oktober, hatte Niebels Staatssekretärin Gudrun Kopp erklärt, das Ministerium habe Ende September ein Antwortschreiben der ecuadorianischen Regierung erhalten, und man werde nun »sorgfältig prüfen, ob damit die offenen Fragen beantwortet sind«.

Das tatsächliche Interesse an Antworten hält sich bei den beiden FDP-Politikern jedoch in Grenzen. Als in der vergangenen Woche die ecuadorianische Verhandlungsführerin für das Yasuni-ITT-Projekt, Ivonne Baki, in Berlin die offenen Fragen im direkten Gespräch klären wollte, hatten weder Niebel noch Kopp Zeit für sie. Nur Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz begrüßte die Diplomatin kurz, reichte sie dann aber an den Abteilungsleiter für Asien und Lateinamerika, Harald Klein, weiter. Im Gespräch mit junge Welt zeigte sich Baki über diese Geringschätzung verwundert, zumal sie zuvor bereits »sehr positive« Gespräche mit hochrangigen Vertretern des Auswärtigen Amtes und des Umweltressorts geführt habe. Sie warnte, daß die Haltung des Niebel-Ministeriums das gesamte Projekt in Gefahr bringen könne. Quito habe sich festgelegt, daß bis Jahresende zumindest Zusagen in einer Gesamthöhe von 100 Millionen US-Dollar zusammenkommen müßten, damit die Regierung erkennen könne, ob es international tatsächlich ein Interesse am Zustandekommen des Projektes gibt. »Wir wollen nicht daran denken, daß wir dieses Ziel nicht erreichen. Aber falls das so sein sollte, müssen wir neu überlegen«, so Baki. Bislang seien erst rund zwei Millionen Dollar in den Fonds eingezahlt worden, vor allem symbolische Beiträge der süd­amerikanischen Nachbarstaaten. Hinzu kämen Zusagen in selber Höhe. Außerdem habe Italien als Beitrag zu dem Projekt Ecuador Schulden in Höhe von 35 Millionen Dollar erlassen. Das werde von Quito zwar akzeptiert, man bevorzuge aber die Auszahlung realen Geldes, da sonst nur »Summen von einer Tasche in eine andere fließen« würden.

Um das Projekt doch noch zu retten, ist Ecuador auch bereit, mit anderen Akteuren als den Zentralregierungen zusammenzuarbeiten. So habe man mit mehreren Regionalverwaltungen in Frankreich bereits Abkommen in einer Gesamthöhe von drei Millionen Dollar erzielt, und auch die belgische Wallonie hat Unterstützung zugesagt. Ein Gespräch gab es ebenfalls bereits mit dem neuen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, das jedoch noch nicht zu konkreten Ergebnissen geführt hat. Doch eine Unterstützung durch die Bundesregierung hätte Signalwirkung für die übrigen Staaten Europas und sei deshalb besonders wichtig, unterstrich Baki.

Erschienen am 3. Juni 2011 in der Tageszeitung junge Welt