UZ - Unsere Zeit

Klare Verhältnisse in Venezuela

UZ - Unsere Zeit„Es lebe die Sozialistische Revolution!“ rief Venezuelas alter und neuer Präsident Hugo Chávez, als er am vergangenen Sonntagabend (Ortszeit) auf den „Balkon des Volkes“ am Präsidentenpalast Miraflores in Caracas trat. Trotz strömendem Regen feierten auf dem Platz vor dem großen Gebäude Tausende mit roten und venezolanischen Fahnen einen gewaltigen Wahlsieg, in der ganzen Stadt waren es Hunderttausende, die auf den Straßen und Plätzen Feuerwerk abbrannten, revolutionäre Lieder sangen und tanzten.

Chávez kündigte an, dass dieser überwältigende Wahlsieg kein End-, sondern ein Anfangspunkt sei, der Anfang der Ära des Sozialismus. Er habe zwei gezogene Schwerter in der Hand, den Kampf gegen die Korruption und den Kampf gegen den Bürokratismus.

Zuvor war Hugo Chávez eindrucksvoll bestätigt worden. Während die Wahlbeteiligung mit fast 75 Prozent den höchsten Wert der vergangenen 18 Jahre erreichte, erzielt Hugo Chávez mit 62,57 Prozent der Stimmen (nach einem Auszählungsstand von 91 Prozent der Stimmen) den höchsten Wahlsieg eines demokratisch gewählten Präsidenten in der Geschichte Venezuelas. In absoluten Zahlen liegt seine Stimmenzahl bei rund 7,5 Millionen Stimmen.

Da die Menschen in Venezuela ihre Stimme für die Präsidentschaftskandidaten nach Parteien aufgeteilt abgeben konnten, können wir sogar einige interessante Details des Ergebnisses festmachen. Während die von Hugo Chávez gegründete Bewegung Fünfte Republik (MVR) rund 6,5 Prozentpunkte gegenüber der letzten Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 einbüßte, aber mit nun gut 41 Prozent und knapp fünf Millionen Stimmen die stärkste Partei des Landes blieb, kann sich die Kommunistische Partei (PCV) über eine Versiebenfachung ihres Wahlergebnisses von 2000 freuen. Gegenüber damals gut 57 000 Stimmen erreicht sie diesmal etwa 350 000 Stimmen. Ihr Prozentsatz von knapp 3 Prozent mag sich dabei zwar bescheiden ausnehmen, aber sie lässt damit alle Traditionsparteien der Opposition hinter sich, zum Beispiel die frühere CDU-Bruderpartei COPEI, die nur noch 2,2 Prozent erreicht. Die als sozialdemokratisch firmierende AD, über die Sozialistische Internationale eng mit der SPD verbunden, war bei dieser Wahl gar nicht erst angetreten und hatte zum Wahlboykott aufgerufen.

Auch frühere starke Linksparteien, die in den 60er Jahren als Abspaltungen von der PCV entstanden waren, müssen ihre heutige Unterstützung für den Kandidaten der Rechten, Manuel Rosales, teuer bezahlen und kommen durchweg nicht einmal mehr auf ein Prozent. Für „La Causa R“ bedeutet dies sogar einen eindrucksvollen Absturz von 18,95 Prozent im Jahr 2000 auf 0,23 Prozent heute.

Fast ungläubig feierten in Berlin lebende Venezolanerinnen und Venezolaner auch das Ergebnis in der Bundeshauptstadt. Zum ersten Mal überhaupt gelang es Hugo Chávez, in Berlin die Mehrheit zu erringen. „Die Gesichter der Rechten wurden immer länger, als die Stimmzettel gezählt wurden“, freut sich ein junger Venezolaner, der als Zeuge an der Abstimmung teilgenommen hatte. Bei einer Wahlbeteiligung von rund der Hälfte der 140 „Berliner“ wahlberechtigten Venezolaner erreichte die Kommunistische Partei fünf Stimmen, die ebenfalls marxistische Sozialistische Liga kam auf drei Stimmen. Auch das eine absolute Premiere, gelten Stimmen für die Kommunisten doch als Plädoyer für eine weitere Vertiefung und Radikalisierung der Revolution.

Bei so klaren Verhältnissen blieb auch Oppositionskandidat Manuel Rosales nichts anderes übrig, als den Wahlsieg von Hugo Chávez anzuerkennen. Besonders gewurmt haben dürfte den Gouverneur von Zulia auch, dass sich die Roten zum ersten Mal in allen Bundesstaaten Venezuelas durchsetzen konnten, also auch in den noch von der Opposition regierten Zulia und Nueva Esparta. Nur in Zulia hatten die Umfragen im Vorfeld eine mögliche Mehrheit für Rosales vorausgesagt.

Und so hatten am Sonntag auch die völlig durchnässten Soldaten auf den Dächern des Präsidentenpalastes allen Grund zum Feiern. Dort, wo am 13. April 2002 die Palastgarde die Fahne Venezuelas als Zeichen des Sieges über die Putschisten geschwenkt hatte, ließen die Soldaten gleich drei Fahnen wehen und tanzten im Regen.

Erschienen in der Wochenzeitung UZ – Unsere Zeit vom 8. Dezember 2006