Kinderschützer des Tages: Edeka

Überraschung im Briefkasten: Die Einzelhandelskette Edeka wirbt in dieser Woche mit einem Sonderprospekt zum Internationalen Kindertag. War das nicht so eine böse kommunistische Erfindung, riecht das nicht nach DDR?

Doch Edeka will »für Kinder nur das Beste«. Man gibt sich als Helfer bei der Erziehung der Kleinen und empfiehlt: »Viel Obst und Gemüse, wenig Zucker und soviel selbstgekochtes Essen wie möglich« … Direkt daneben bunte Reklame für Lollis, Smarties und Schokobons …

Nun gut, dass die Einführung des Kindertages 1948 von der Internationalen Demokratischen Frauenföderation (IDFF) beschlossen wurde, das Datum 1. Juni vom IDFF 1949 in Moskau festgelegt wurde und der Weltbund der Demokratischen Jugend die Idee 1950 aufgriff, verschweigt Edeka lieber. Man akzeptiert jedes Datum, wenn es Extraprofite verspricht. Aber mit sozialistischen Umtrieben will man lieber nichts zu tun haben.

Alles andere wäre ja auch zynisch: Wie der SWR am Dienstag abend berichtete, wird der Tariflohn von Edeka nur in 20 Prozent der Filialen garantiert, die direkt zum Konzern gehören. 80 Prozent sind jedoch »eigentümergeführt«. Nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di seien die Einkommen um bis zu 30 Prozent zurückgegangen. Oft genug wird nur der Mindestlohn bezahlt. Betroffen davon sind vor allem Frauen, denn sie stellen die große Mehrheit der Beschäftigten. Aber ob sie von solchen mageren Einkommen ihren Kindern »nur das Beste« bieten können, ist der Chefetage von Edeka komplett egal. Und wann Mütter – wie in dem Prospekt empfohlen – mit ihren Kindern Spaziergänge, Fahrradtouren oder Freizeitsport unternehmen sollen, wenn die Ladenöffnungszeiten immer weiter ausgedehnt werden, geht den Gestaltern der Reklame auch am Allerwertesten vorbei. Edeka liebt halt Lebensmittel – von den Beschäftigten und ihren Kindern war nie die Rede.

Erschienen am 1. Juni 2017 in der Tageszeitung junge Welt