Kein Schwefel mehr

Erstmals seit seiner legendären »Schwefel-Rede« von 2006 ist Venezuelas Präsident Hugo Chávez am Donnerstag wieder vor der UNO-Vollversammlung in New York aufgetreten. Hatte er damals US-Präsident George W. Bush mit dem Teufel verglichen, lobte er diesmal dessen Amtsnachfolger Barack Obama: »Hier riecht es nicht mehr nach Schwefel, hier riecht es nach Hoffnung.« Zugleich kritisierte er jedoch die Widersprüche zwischen dessen Rede einen Tag zuvor und der Realität der US-Außenpolitik. »Obama hat gestern gesagt, daß keinem Volk ein politisches System aufgezwungen werden dürfe, daß jedes Volk und seine Souveränität respektiert werden müßten. Also dann, Präsident Obama, worauf warten Sie noch, um das Ende der brutalen und mörderischen Blockade Kubas aufzuheben?« Konkret kritisierte der venezolanische Präsident, daß der niederländische Elektronikkonzern Philips sich vor dem Hintergrund der bestehenden Blockade geweigert habe, den Regierungen Kubas und Venezuelas medizinische Geräte zu liefern, die diese für den weiteren Ausbau ihres für die Patienten kostenlosen Gesundheitssystems nutzen wollten. Als Grund für die Weigerung habe Philips darauf verwiesen, daß die US-Administration Druck auf den Konzern ausgeübt habe. »Obama, bist du das, oder ist das ein anderer Obama? Ich will an den Obama von gestern glauben, den ich hier gesehen habe, aber solche Dinge passieren und gefährden das Leben von Millionen Menschen.«

Chávez rief die USA und Europa dazu auf, die in Lateinamerika begonnene Revolution zu unterstützen, denn dieser revolutionäre Prozeß sei »der Beginn des Weges zur Rettung dieses Planeten, zur Rettung der menschlichen Gattung, die durch den Kapitalismus und den Imperialismus, durch Krieg und Hunger bedroht wird«. Der venezolanische Präsident berichtete, daß ihn die wegen ausstehender Löhne streikenden Arbeiter eines Lebensmittelunternehmens in New York gefragt hätten, warum er ihre Fabrik nicht kaufe. Er habe ihnen gesagt, darüber könne man reden, »und dann machen wir daraus eine sozialistische Fabrik. Wenn Obama es mir erlaubt, könnten wir dieses Unternehmen kaufen und es den Arbeitern übergeben, damit sie selbst Kekse produzieren und die Kekse verkaufen, und nicht mehr von zwei oder drei Kapitalisten ausgebeutet werden.« Das sei Sozialismus, und der Sozialismus sei der Weg zur Rettung des Planeten.

»Gestern haben wir hier Obama, Lula, Sarkozy, Ghaddafi, Cristina (Fernández, Präsidentin Argentiniens) gehört, die alle Veränderungen gefordert haben. Aber was für Veränderungen? Im Kapitalismus sind Veränderungen nicht möglich. Glauben wir den Lügen nicht; nur im Sozialismus können wir wirkliche Veränderungen erreichen, und die Revolution in Lateinamerika trägt in sich einen zutiefst sozialistischen Charakter«, führte Chávez aus und erinnerte in diesem Zusammenhang an John F. Kennedy, der wenige Tage vor seiner Ermordung vor dem US-Kongreß anerkannt habe, daß sich in Südamerika eine Revolution ereigne, deren Hauptursache der Hunger sei. »John F. Kennedy war kein Revolutionär, aber er war intelligent, und auch Präsident Obama ist intelligent. Gott schütze Obama vor den Kugeln, die Kennedy getötet haben. Hoffentlich gelingt Obama ein wirklicher Kurswechsel.«

Erschienen am 26. September 2009 in der Tageszeitung junge Welt