Kein »Paquetazo«

Ecuadors Präsident Lenín Moreno hat am Mittwoch (Ortszeit) in einer von allen Rundfunk- und Fernsehsendern übertragenen Ansprache ein Bündel von Maßnahmen angekündigt, mit denen auf die schwierige Wirtschaftslage des südamerikanischen Landes reagiert werden soll. »Die Exporte sind zurückgegangen, der Erdölpreis ist weiter niedrig, die Bauwirtschaft stagniert und die öffentliche Verschuldung ist sehr schwierig«, begründete der Staatschef seinen Schritt. Zugleich betonte er, dass es keinen »Paquetazo« geben werde, also kein neoliberales Kürzungspaket. So würden weder die Preise für Kraftstoff und Strom noch die Mehrwertsteuer erhöht, man wolle die armen Bevölkerungsschichten schützen.

Kleinere Unternehmen sollen dem Vorhaben zufolge entlastet werden. So werden Kleinunternehmer für die ersten zwei Jahre ihrer Tätigkeit von der Einkommenssteuer befreit. Die Grundsteuer auf Ländereien soll abgeschafft werden, um die Agrarwirtschaft zu fördern. Dagegen sollen auf Gewinne von Kapitalgesellschaften künftig 25 Prozent Abgaben erhoben werden, eine Erhöhung um drei Punkte. Ausgenommen davon seien kleine und Kleinstunternehmen sowie solche Firmen, die für einen »ständigen Zufluss von Dollars in das Land« sorgen. Ecuador hat seit dem Jahr 2000 keine eigene Währung mehr, sondern nutzt den US-Dollar. Daran will auch Moreno festhalten.

Bürger, die mehr als 3.000 Dollar im Monat verdienen, müssen künftig auch das 13. Monatsgehalt versteuern. Zudem plane seine Regierung eine Arbeitsmarktreform, durch die neue Beschäftigungsverhältnisse ermöglicht werden sollen. Details darüber nannte Moreno nicht, man werde aber die Rechte der Arbeiter verteidigen.

Unterdessen bestätigte Außenhandelsminister Pablo Campana, dass die Regierung die mit mehreren Ländern bestehenden Investitionsschutzabkommen erneuern wolle. Das sei Thema seiner Gespräche während einer Reise im September gewesen, die ihn unter anderem nach China und in die USA führte, sagte er am Mittwoch der Tageszeitung El Telégrafo.

Die Entscheidung, diese Abkommen nicht aufzukündigen, ist ein erneuter Kurswechsel der aktuellen Administration. Noch im April und Mai hatte der damalige Präsident Rafael Correa die Verträge mit 16 Staaten für beendet erklärt. Zuvor hatte eine Untersuchung durch das Parlament ergeben, dass sie nicht zu mehr ausländischen Investitionen in Ecuador geführt hätten. Zudem dienten die Abkommen Konzernen wiederholt dazu, die Regierung in Quito vor internationalen Schiedsgerichten auf Schadenersatz zu verklagen, wenn Maßnahmen der Exekutive ihren Geschäftsinteressen zuwider liefen.

Schon in den vergangenen Monaten hat sich Lenín Moreno immer mehr vom Kurs seines Vorgängers Correa entfernt, obwohl er bis 2013 dessen Vizepräsident gewesen und die Fortsetzung der »Bürgerrevolution« eines seiner zentralen Wahlversprechen war. Correa, der inzwischen mit seiner Familie in Belgien lebt, dem Heimatland seiner Frau Anne Malherbe, attackiert Moreno deshalb scharf. Zuletzt erklärte der Expräsident am 6. Oktober in einem Interview für den russischen Sender RT, seinem Nachfolger sei »in drei Wochen gelungen, was die Opposition in zehn Jahren nicht geschafft hat, nämlich unsere Revolution zu diskreditieren«.

Anfang Oktober wurde Ecuadors Vizepräsident Jorge Glas wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft. Correa wirft Moreno vor, einen »ehrlichen Menschen zerstören« zu wollen, weil er ihm im Weg stehe. In Ecuador wird auch der Vizepräsident zusammen mit dem Staatschef direkt von der Bevölkerung gewählt, Moreno kann ihn deshalb nicht entlassen. Eine Amtsenthebung durch das Parlament verweigern die Abgeordneten der Alianza PAÍS, der auch Moreno, Glas und Correa angehören. Der Staatschef entzog seinem Stellvertreter deshalb am 3. August zunächst alle Aufgaben und ernannte am 4. Oktober María Alejandra Vicuña zur »geschäftsführenden Vizepräsidentin«.

Erschienen am 13. Oktober 2017 in der Tageszeitung junge Welt