Kein Frieden in Sicht

Der Gouverneur des im Süden Kolumbiens gelegenen Departamentos Caquetá, Luis Francisco Cuéllar, ist am späten Montag abend (Ortszeit) von bislang unbekannten Tätern aus seinem Haus entführt worden. Zehn schwerbewaffnete Männer, die Uniformen einer Spezialeinheit der kolumbianischen Armee trugen, waren in die Residenz des Politikers in der Provinzhauptstadt Florencia eingedrungen und überwältigten dessen Leibwächter. Der Sekretär der Regionalregierung von Caquetá, Ediberto Ramón Endo, bestätigte am Dienstag die Entführung und bezichtigte die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC), hinter der Aktion zu stecken. Die Guerilla hat sich bislang nicht zu der Tat bekannt.
Wie der Rundfunksender Radio Caracol berichtete, beschossen die Angreifer die Residenz des Gouverneurs mit einer Granate, nachdem sie sich zuvor ein Feuergefecht mit der Leibgarde des Politikers geliefert hatten. Dabei kam dem Bericht zufolge einer der Leibwächter Cuéllars ums Leben. Anschließend verschleppten die Bewaffneten den Gouverneur an einen unbekannten Ort.

Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe kündigte in einer ersten Reaktion auf die Entführung eine Militäroperation zur Befreiung »aller Geiseln« der Guerilla an und erteilte allen weiteren Gesprächen mit den FARC über eine Freilassung von Gefangenen eine Absage. Das ist ein weiterer schwerer Rückschlag für die Bemühungen um eine Freilassung des seit zwölf Jahren in Gefangenschaft der Guerilla lebenden Pablo Emilio Moncayo. Die FARC hatten bereits im vergangenen April dessen Freilassung angekündigt, jedoch für eine sichere Übergabe des Soldaten Garantien von der Regierung verlangt. Nachdem diese über Monate eine solche Garantie verweigert hatte, war in den vergangenen Tagen Bewegung in die Angelegenheit gekommen, eine Freilassung Moncayos schien unmittelbar bevorzustehen.

Die jetzige Zuspitzung erfolgt rund eine Woche nach Bekanntwerden einer gemeinsamen Erklärung der beiden wichtigsten Guerillaorganisationen Kolumbiens – der FARC und der Nationalen Befreiungsarmee (ELN) –, in der diese ein Ende der Auseinandersetzungen zwischen beiden Organisationen ankündigen. Ihre Einheiten werden in dem Papier aufgefordert, keinerlei Zusammenarbeit »mit dem Feind des Volkes« zuzulassen und die »nicht kämpfende Bevölkerung, ihr Eigentum und ihre Interessen und ihre sozialen Organisationen« zu respektieren. »Unsere einzigen Feinde sind der nordamerikanische Imperialismus und seine speichelleckerische Oligarchie. Gegen ihn werden wir unsere gesamte kämpferische und revolutionäre Energie einsetzen«, schreiben das Sekretariat der FARC und das Zentralkommando der ELN in der Erklärung.

Gegenwärtig ist auch keine Entspannung in den Beziehungen zwischen Kolumbien und dem Nachbarland Venezuela in Sicht. Am Sonntag berichtete der venezolanische Präsident Hugo Chávez in seiner wöchentlichen Fernsehsendung »Aló Presidente«, ein unbemannter Flugkörper von zwei bis drei Metern Länge sei von Kolumbien aus kommend in den venezolanischen Luftraum eingedrungen. Er habe in der Grenzregion Guajira einen Stützpunkt der venezolanischen Streitkräfte überflogen. Diese ferngesteuerten Drohnen dienten Spionagezwecken. Einige seien jedoch auch in der Lage, Bomben abzuwerfen, warnte Chávez. Er habe Befehl gegeben, die Flugkörper künftig abzuschießen.

Kolumbiens Verteidigungsminister Gabriel Silva Luján versuchte hingegen, die Beschwerde aus Caracas ins Lächerliche zu ziehen. Die venezolanischen Soldaten hätten den Weihnachtsmann mit seinem Schlitten gesehen und ihn mit einer Drohne verwechselt, behauptete er gegenüber Medienvertretern. Bereits zuvor hatte er jedoch angekündigt, die Präsenz seiner Truppen an der über 2200 Kilometer langen Grenze zu Venezuela weiter zu verstärken. Der Minister verwies als Begründung auf die Bedrohung durch die Guerilla, deren Handlungsfähigkeit noch intakt sei, obwohl sowohl FARC als auch ELN ihre einstige Stärke verloren hätten. Zugleich verwies er jedoch auf die »direkte und klare« Gefahr einer »Aktion von außen gegen Kolumbien«. Die »expansionistische Ideologie« der venezolanischen Regierung sei eine konkrete Bedrohung für sein Land. Darauf nicht zu reagieren, wäre »unverantwortlich«.

Erschienen am 23. Dezember 2009 in der Tageszeitung junge Welt