Kein Ende des Kampfes

In Havanna haben sich die Abgesandten der kolumbianischen Regierung und der FARC-Guerilla auf ein Ende des jahrzehntelangen Krieges geeinigt. Iván Márquez, der Delegationsleiter der Aufständischen, erklärte dazu: »Wir werden Frieden haben, wenn die Abkommen eingehalten werden.« Das ist eine Warnung, denn ob das Ende des Krieges zwischen den zwei Parteien tatsächlich Frieden für Kolumbien bedeutet, ist noch nicht ausgemacht.

Noch ist keine der sozialen Ursachen, die in den 1960er Jahren zum Entstehen der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) geführt haben, beseitigt. Kolumbien gehört auf dem südamerikanischen Kontinent zu den Ländern, in denen der Reichtum am ungerechtesten verteilt ist – Großgrundbesitzer auf der einen, vertriebene und ausgebeutete Bauern auf der anderen Seite. Widerstand dagegen wurde praktisch immer unterdrückt.

In den vergangenen 30 Jahren haben Guerillaorganisationen wiederholt die Waffen niedergelegt und sich in das zivile Leben eingegliedert, etwa 1990 die Bewegung 19. April (M-19). Nie bedeuteten die Abkommen jedoch tatsächlich ein Ende des Krieges, denn nie waren alle Aufständischen in den Friedensschluss einbezogen. Auch diesmal handelt es sich nur um einen Vertrag zwischen der Regierung und einer einzelnen Organisation. Zwar sind die FARC die größte der bewaffneten Bewegungen, doch es wäre fatal, die Nationale Befreiungsarmee (ELN) zu übersehen. Die Friedensgespräche zwischen dieser und der Regierung stehen noch am Anfang. Mit weiteren Gruppen will Bogotá überhaupt nicht reden.

Die größte Gefahr für den Frieden geht aber von Drogenbanden und Paramilitärs aus. Wenn die in Havanna vereinbarte Agrarreform ernst gemeint ist, wird sie den Interessen der Großgrundbesitzer zuwiderlaufen, und deren bewaffneter Arm waren in der Vergangenheit immer wieder die ultrarechten Todesschwadronen. Bleibt sie aber halbherzig, bleiben die Ursachen für Gewalt und Krieg bestehen.

Allein seit Anfang 2016 wurden nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Somos Defensores 35 soziale Aktivisten ermordet.

Und klar ist auch noch nicht, ob die Kolumbianer im Referendum am 2. Oktober wirklich für den Frieden stimmen werden. Die Kriegspartei um Expräsident Álvaro Uribe setzt auf Demagogie und Panikmache. Ihre Mobilisierungsfähigkeit hat die reaktionäre Rechte am 10. August unter Beweis gestellt, als sie Tausende Menschen gegen angebliche »Werbung für Homosexualität« durch die Regierung auf die Straße brachte. Hinzu kommt, dass noch bei den letzten Wahlen auch nach offiziellen Angaben eine sichere und geheime Stimmabgabe in weiten Teilen Kolumbiens nicht möglich war, weil Wahlberechtigte bedroht und eingeschüchtert wurden.

Iván Márquez nannte das Friedensabkommen »keinen End-, sondern den Ausgangspunkt«, damit das kolumbianische Volk in seiner Vielfalt die sozialen Veränderungen in Angriff nehmen kann. Er hat recht. Auch wenn die Waffen schweigen, geht der Kampf weiter.

Erschienen am 26. August 2016 in der Tageszeitung junge Welt