Immer wieder Puigdemont

In Katalonien tickt die Uhr: Wenn es den Abgeordneten des Regionalparlaments bis zum 22. Mai nicht gelingt, eine neue Regierung zu bestimmen, gibt es Neuwahlen.

Seit Dezember sind alle Versuche gescheitert, einen neuen Ministerpräsidenten zu nominieren. Die Parteien der Unabhängigkeitsbewegung hatten zunächst an Carles Puigdemont festgehalten, den sie trotz seiner Absetzung durch Madrid im vergangenen Oktober als rechtmäßigen Regierungschef betrachten. Allerdings ist gesetzlich vorgeschrieben, dass sich ein Kandidat persönlich den Abgeordneten stellen muss – und Puigdemont hatte sich vor einer drohenden Verhaftung durch die spanische Justiz nach Belgien abgesetzt. Inzwischen lebt er in Berlin, wo er sich den Behörden zur Verfügung halten muss, solange nicht endgültig über den Auslieferungsantrag Spaniens entschieden ist.

Auch die Versuche, Jordi Sànchez oder Jordi Turull zum neuen Regierungschef zu wählen, scheiterten. Sànchez, der als Vorsitzender der »Katalanischen Nationalversammlung« (ANC) die Großdemonstrationen für die Unabhängigkeit Kataloniens mitorganisiert hatte, sitzt seit dem 16. Oktober in Haft – Urlaub für die Parlamentssitzung wurde ihm vom zuständigen Ermittlungsrichter verweigert. Und das frühere Kabinettsmitglied Turull wurde unmittelbar vor dem entscheidenden zweiten Wahlgang ins Gefängnis gesteckt.

Nun soll es doch Puigdemont werden. Das beschloss der Vorstand seiner Demokratischen Partei (PDECat) am Wochenende in Berlin. Zuvor hatte das katalanische Parlament am Freitag mit den Stimmen der für die Unabhängigkeit eintretenden Parteien eine Änderung des Präsidentschaftsgesetzes beschlossen. Demnach muss ein Kandidat nicht mehr persönlich im Plenarsaal anwesend sein, wenn die absolute Mehrheit der Abgeordneten seine Abwesenheit billigt. Somit könnte Puigdemont auch im Exil gewählt werden, Berlin würde de facto Regierungssitz Kataloniens.

Die spanische Zentralregierung will die Gesetzesänderung allerdings durch das Verfassungsgericht annullieren lassen. Der Staatsrat beschloss am Montag einstimmig, eine entsprechende Klage einzureichen. Zudem verhindert die Exekutive das Inkrafttreten des Beschlusses, indem sie die Veröffentlichung des neuen Textes im Amtsblatt der katalanischen Regionalverwaltung verhindert. Madrid hatte im vergangenen Oktober unter Berufung auf Artikel 155 der spanischen Verfassung die Autonomie Kataloniens aufgehoben und die Regionalregierung abgesetzt. Seither übt das Kabinett von Ministerpräsident Mariano Rajoy die direkte Kontrolle über Katalonien aus.

Die sozialdemokratisch orientierte Republikanische Linke Kataloniens (ERC) verlangt inzwischen, einen Alternativkandidaten zu nominieren, um die Zwangsverwaltung zu beenden. Dagegen beharren die liberale PDECat wie auch die linksradikale Kandidatur der Volkseinheit (CUP) darauf, Puigdemont zu wählen, um so dessen Absetzung durch Madrid rückgängig zu machen. ERC-Sprecherin Marta Vilalta warnte am Montag bei einer Pressekonferenz in Barcelona, dass diese Linie dazu führen könnte, die »republikanische Mehrheit« im Parlament zu verspielen. Der 22. Mai rückt näher.

Erschienen am 8. Mai 2018 in der Tageszeitung junge Welt